38 - Satan und Ischariot II
dies versuchte, ihn bald zur Ruhe.
Die ‚Listige Schlange‘ hatte Melton niedergeworfen und festgehalten, bis die anderen hinzugekommen waren; dann hatte er von ihm gelassen. Sein Stolz ließ ihm nicht zu, sich an den Mißhandlungen zu beteiligen; aber in seinen dunkeln Augen glühte das Feuer der Rache und des unversöhnlichen Hasses. Er wendete sich, da rundum Ruhe eingetreten war, mit der Frage an mich:
„Was gedenkt Old Shatterhand mit diesem verräterischen und gefährlichen Bleichgesicht zu tun?“
„Das kann ich jetzt noch nicht sagen, denn ich muß es mit Winnetou beraten.“
„Das ist nicht nötig, denn der Häuptling der Apachen wird alles gutheißen, was Old Shatterhand bestimmt. Beide sind wie einer, und was der eine will, das will stets auch der andere.“
„Zu welchem Zweck spricht die ‚Listige Schlange‘ diese Worte?“
„Eines Vorschlages wegen, den ich meinem weißen Bruder machen möchte. Old Shatterhand mag mit auf die Seite kommen, da ich mit ihm allein sprechen will.“
Ich tat ihm den Willen und entfernte mich mit ihm so weit, daß Melton uns nicht hören konnte, auf welchen es abgesehen war, da die Deutschen den Indianer doch nicht verstehen konnten. Dieser begann seinen Vorschlag mit der Frage:
„Wird Old Shatterhand mir aufrichtig sagen, ob er mich für einen Lügner hält?“
„Warum nicht? Der Name meines roten Bruders könnte Mißtrauen erwecken; dennoch glaube ich, daß ‚Listige Schlange‘ die Wahrheit liebt und viel zu stolz und tapfer ist, sich eine Treulosigkeit zuschulden kommen zu lassen.“
„Mein Bruder hat recht; ich danke ihm. Ich will ihm mitteilen, daß ich Frieden mit ihm schließen möchte, nicht nur für mich selbst, sondern auch für meine Krieger.“
„Was wird euer Oberhäuptling, der ‚Große Mund‘, dazu sagen?“
„Er wird beistimmen.“
„Das bezweifle ich, denn er hat eine Blutrache gegen mich, weil ich seinen Sohn, den ‚Kleinen Mund‘, getötet habe.“
„Old Shatterhand ist ein Freund der roten Männer; er tötet keinen von ihnen, außer wenn er dazu gezwungen ist.“
„Das ist zwar sehr richtig, wird aber für den ‚Großen Mund‘ kein Grund sein, seine Rache in Verzeihung, seine Feindschaft in Freundschaft umzuwandeln.“
„So mag er für sich allein handeln; ich habe mit seiner Rache nichts zu tun. Als wir den Zug nach Almadén unternahmen, haben wir ihn zu unserem Anführer gemacht; wir können den, welchen wir wählen, auch wieder absetzen, denn wir brauchen ihm nur so lange zu gehorchen, wie es uns beliebt. Die Yumas zerfallen in viele Stämme; er ist der Häuptling des seinigen, und ich bin der Häuptling des meinigen. Er ist nicht mehr, als ich bin. Er hat mir Kampf geboten, ich aber erkenne jetzt, daß Frieden besser ist. Darum bin ich bereit, mit Old Shatterhand im Namen meines Stammes, wenn auch nicht im Namen aller Yumas, die Friedenspfeife zu rauchen.“
„Wenn aber der ‚Große Mund‘ dann dagegen ist?“
„So bin ich der Freund und Bruder von Old Shatterhand und werde ihn mit allen meinen Kriegern gegen den ‚Großen Mund‘ verteidigen. Will mein weißer Bruder mir das glauben?“
„Ich glaube es. Mein roter Bruder wird den Frieden nur unter gewissen Bedingungen schließen wollen. Er mag mir diese mitteilen!“
„Es sind nur zwei. Mein erster Wunsch ist der, daß Old Shatterhand nicht dagegen ist, daß ich die weiße Blume, welche Judith heißt, zu meiner Squaw mache.“
„Ich habe nichts dagegen, sondern bin im Gegenteil sehr überzeugt, daß kein Weißer für die Blume so gut paßt, wie mein roter Bruder. Darüber sind wir also einig. Welches ist nun der zweite Wunsch?“
„Ich will Melton haben!“
„Das dachte ich mir. Die ‚Listige Schlange‘ ist also der Ansicht, daß ich über die Person dieses Mannes verfügen kann?“
„Ja. Nach den Gesetzen der Bleichgesichter hat er ihn vielleicht abzuliefern, nach den Gesetzen der roten Männer aber gehört er ihm und er kann mit ihm machen, was er will. Wir befinden uns hier auf dem Gebiet der roten Stämme, also kann, wenn Old Shatterhand nach unseren Regeln handelt, kein Bleichgesicht ihm darüber Vorwürfe machen.“
„O doch! Es befinden sich sogar schon weiße Polizisten in der Nähe, welche Melton fangen wollen; aber ich brauche nicht nach ihnen und ihren Absichten zu fragen; ich tue, was ich will, auch wenn es gegen die Gesetze dieser Leute ist. Mein roter Bruder kann also, wenn es mir beliebt, Melton bekommen. Hat er aber daran
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