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38 - Satan und Ischariot II

38 - Satan und Ischariot II

Titel: 38 - Satan und Ischariot II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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mexikanischen Gerichten weder eine Entschädigung noch sonst etwas zu erwarten hatten, davon war ich vollständig überzeugt. Lieferte ich Melton an den Jurisconsulto aus, so entging er wohl gar der Strafe und ich mußte auch die Brieftasche hergeben, deren Inhalt, obgleich ich in Beziehung auf denselben kein Verwendungsrecht besaß, ich für Besseres bestimmt hatte. Ich war also gesonnen, Melton dem Häuptling zu überantworten. Man mag mich da der Härte oder gar der Grausamkeit zeihen; ich mache mir keine Vorwürfe, denn dieser Teufel hatte alles andere verdient, aber nur keine Schonung.
    Der Mimbrenjo übernahm den Auftrag schon deshalb gern, weil derselbe nicht ganz ungefährlich war; er erhielt ausführliche Anweisungen und ritt auf Winnetous Pferd davon. Die Gesellschaft lagerte sich in einem Kreis, in dessen Mitte Melton genommen wurde; ich aber ließ mich außerhalb desselben nieder, um nun unbemerkt von ihm den Inhalt seiner Brieftasche zu untersuchen. Zunächst zählte ich den Betrag der Banknoten. Der Mann war bedeutend reicher mit Geldmitteln versehen, als ich geglaubt hatte, denn die Summe betrug etwas über dreißigtausend Dollars. Ob das Geld sein Eigentum war oder den Wellers teilweise mit gehörte, oder auch aus der Mormonenkasse stammte, das ging mich nichts an. Sodann fand ich die schon erwähnten Kontrakte, auch den Kaufkontrakt über die Hazienda del Arroyo und endlich eine Anzahl Briefe, welche ich öffnete, um sie zu lesen. Die meisten stammten aus Utah, einige aus San Franzisco; alle aber bewiesen, daß er über die Grenze gekommen war, um im Interesse der Mormonen eine größere Landstrecke zu erwerben und so den ersten Schritt zur Verbreitung derselben auch in Mexiko zu tun. Zwei oder drei von ihnen enthielten Beweise darüber, daß er sich mit den Wellers verbunden hatte, die Erwerbung auf unehrlichem Weg vorzunehmen, um sich eine ansehnliche Summe für die eigenen Taschen zu verdienen.
    Ein einziger Brief war anderen Inhaltes. Das Couvert war nicht dabei, und da die Angabe des Datums und des Ortes fehlte, so wußte ich nicht, aus welcher Zeit und woher er stammte. Die Schrift hatte aber eine so frische, tief dunkle Färbung, daß ich annahm, dieser Brief sei erst in neuerer Zeit geschrieben worden. Er war ‚dear uncle‘, also ‚lieber Onkel‘ überschrieben und enthielt in seinem ersten Teil Mitteilungen ganz unverfänglicher Art, während am Ende folgende Zeilen meine Aufmerksamkeit erregten:
    „Und fragst Du, wovon ich hier lebe, so kann ich Dich durch die Versicherung beruhigen, daß es mir sehr wohl geht. Ich habe im Spiel Glück und außerdem einen Freund gefunden, dessen wohlgefüllte Tasche mir stets offen steht. Erinnerst Du Dich noch des reichen einstigen Armeelieferanten, dessen Bekanntschaft Du in St. Louis gemacht hast? Er war ein geborener Deutscher, spielte sich aber gern als Yankee auf und hatte darum seinen ursprünglichen Namen Jäger in das englische Hunter verwandelt. Wie ich jetzt erfahren habe, ist er als Schustergeselle von drüben herübergekommen, hat trotz oder gerade wegen seiner Dummheit großes Glück gehabt und es durch eine Heirat zu einem Ladengeschäft in der William-Street, New York, gebracht. Während des Krieges gegen die Südstaaten lieferte er zunächst Schuhwerk, später auch Montierungsstücke und anderes für die Armee und hat da einen unendlichen Haufen Geld zusammengebracht. Jetzt arbeitet er nicht mehr, ist kränklich geworden und gibt sich Mühe, seine ungeheueren Zinsen immer wieder zum Kapital zu schlagen, obgleich er dies gar nicht nötig hat, da seine Frau gestorben ist und er nur ein einziges Kind, einen Sohn, besitzt, welcher als Universalerbe später gewiß genug zum Leben hat. Der Alte ist geizig im höchsten Grad, hat seinen armen Verwandten drüben noch nie einen Pfennig geschickt, besitzt dabei jedoch eine solche Affenliebe für den Jungen, daß dieser das Geld zum Fenster hinauswerfen kann, ohne den geringsten Vorwurf zu befürchten. Sein Vater hat ihm in Verleugnung seiner deutschen Abstammung den wunderbaren Vornamen Small gegeben. Er ist ein hübscher, junger Mensch, verzogen, ohne Charakter und Energie, sonst aber gar kein übler Kerl, besitzt nicht eine Spur von Menschenkenntnis und ist so vertrauensselig gegen jedermann, daß er alle die Blutegel, welche sich hier an ihn oder vielmehr an seinen Geldbeutel gehängt haben, für wahre Freunde hält. Es wird mir aber gelingen, ihm, natürlich nur zu meinem Vorteil, die Augen

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