38 - Satan und Ischariot II
mir weh, zu sehen, daß deine letzten Tage keine schönen sein werden. Führe deine tapfern Krieger auf besseren Wegen, wie sie die ‚Listige Schlange‘ geht; dann kannst du, wenn Manitou dich ruft, fröhlich nach den ewigen Jagdgründen gehen, und dann können deine Männer mit mehr Stolz und mit größerer Freude als jetzt auf ihr Leben und ihre Taten blicken. Old Shatterhand meint es gut mit dir und ebenso gut mit ihnen. Der erste Schritt, den ihr vorwärts tut, wird euch freilich schwer werden, denn er besteht darin, daß ihr euch jetzt in das Unvermeidliche fügt. Der ‚Starke Büffel‘ hat euch die Freiheit und das Leben geschenkt; soll er auch noch auf die Beute verzichten? Das könnt ihr nicht verlangen!“
„Er hat sie schon groß genug gemacht!“ murrt er.
„Wo denn und wie?“
„Du nahmst uns die Herden des Haziendero ab. Es gelang uns, zu entkommen, und wir holten sie uns wieder. Da wir hier herauf mußten, haben wir sie mit einigen Leuten zurückgelassen. Jetzt sehen wir, daß die Mimbrenjos uns gefolgt sind, und da ist es sicher, daß sie die Herden wieder haben.“
„Ich habe mit dem ‚Starken Büffel‘ noch nicht darüber gesprochen; aber wenn es so ist, dann darfst du doch nicht von Beute sprechen, denn die Tiere gehören nicht den Mimbrenjos, sondern dem Haziendero und werden demselben zurückgegeben werden. Frage dich selbst, und gib eine ehrliche Antwort, was du an Stelle des ‚Starken Büffels‘ tun würdest. Du würdest nicht von der Beute lassen. Ja, du würdest keine Gnade geben, sondern die Gefangenen nach deinen Weideplätzen schleppen. Du verlangst also von ihm noch viel, viel mehr, als du selbst tun würdest, wenn du dich an seiner Stelle befändest. Seid also klug, denn wenn ihr euch weigert, nimmt er wohl gar das Wort zurück, welches er mir gegeben hat, und führt euch als Gefangene fort! Und noch eins: Ihr befindet euch auf streitigem Land. Wie nun, wenn er jetzt von euch verlangt, daß es von jetzt an nur den Mimbrenjos gehören soll? Ihr müßtest euch fügen, denn ihr seid in seiner Gewalt. Laßt es also nicht noch zu solchen Forderungen kommen, sondern bringt lieber das kleine Opfer, um größeren Schaden zu vermeiden.“
Eine so freundlich eindringliche Redeweise waren die rohen Menschen nicht gewöhnt; darum machte dieselbe einen desto tieferen Eindruck auf sie. Es war ein kleiner diplomatischer Zug von mir gewesen, den Zorn der Krieger auf ihren Häuptling zu lenken als auf denjenigen, der sie verführt hatte; das war eine gerechte Strafe für ihn und konnte meinem Freund ‚Listige Schlange‘, der sich so treu erwiesen hatte, von Vorteil sein. Kurz und gut, ich brachte es dahin, daß sie sich wenigstens ohne äußeren Widerstand darein fügten, ihr Eigentum in die Hände der Mimbrenjos übergehen zu lassen, und freute mich darüber, dem ‚Starken Büffel‘ dieses Resultat melden zu können. Sie gaben ihre Waffen ab und mußten dann zusehen, wie ihre Pferde zusammengetrieben wurden. Eine Milderung, welche der ‚Starke Büffel‘ auf meine Befürwortung hin noch eintreten ließ, lag darin, daß sie alles behalten konnten, was sie in den Taschen bei sich trugen. Dann hielten sie es für geraten, abzuziehen, wobei sich gleich zeigte, daß meine lobende Erwähnung der ‚Listigen Schlange‘ auf einen guten Boden gefallen war, denn viele von den Kriegern des Alten gingen nicht mit ihm, sondern traten zu der Schlange über und baten, von jetzt an zu seinem Stamm gezählt zu werden. Er sagte ihnen das zu, und ich brachte es so weit, daß sie ihre Waffen und Pferde wiedererhielten, worüber sie sich selbstverständlich außerordentlich freuten.
Der ‚Große Mund‘ war darüber sehr erbost; er sah seinen Einfluß schon jetzt schwinden und konnte sich sagen, daß derselbe in Zukunft wohl noch mehr abnehmen werde. Darum ging er nicht, wie ich erwartet hatte, ohne Abschied von dannen, sondern kam vor dem Abmarsch noch zu uns, um uns eine Rede zu halten, welche besonders an meine Adresse gerichtet war. Er brachte dabei seine Ältesten mit, um ihnen zu zeigen, daß er, wenn auch nicht mehr die materielle, so doch noch die innere Kraft besitze, sich als unseren Feind zu betrachten.
Als er mit seinen sechs oder sieben hervorragendsten Kriegern kam, saßen wir gerade bei der Beratung über die weitere Richtung unsers Zuges; es waren also die angesehensten Personen, die sich bei uns befanden, beisammen. Ich sah ihn kommen, dachte mir sogleich, was er wolle, und gab den
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