38 - Satan und Ischariot II
bitten, wenigstens bis zur Tafel hierzubleiben. Dann kommt Werner und wird sie bewegen, länger unsere Gäste zu sein. Ich werde mit Mutter beschäftigt sein. Führe die Herren nach dem Rauchzimmer, Vater; vielleicht gelingt es dir, sie für diese kurze Zeit zu unterhalten.“
Es blieb uns nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Das Rauchzimmer war ebenso brillant eingerichtet wie die übrigen Räume, in Gold überladen. Der alte, gute Vogel fühlte sich gar nicht wohl zwischen diesen Möbeln, Bildern und Wandleuchtern; er wußte nicht recht, wohin mit den Armen und Beinen, und setzte sich schließlich in einen Schaukelstuhl, weil dieser der niedrigste und bequemste war. Er hatte in der heimatlichen Hütte ja meist nur auf Schemeln gesessen.
Ich nahm mir unaufgefordert eine Zigarre, und Winnetou folgte diesem Beispiel. Leider konnte er sich nicht an unserer Unterhaltung beteiligen.
„Jetzt sind wir nun alleene“, begann der Alte, „ganz alleene unter uns vernünftigen Menschen, und können also offrichtig miteenander reden. Meenen Sie nich?“
„Gewiß“, nickte ich.
„Was sagen Sie eegentlich zum Millionär, zu meinem Schwiegersohn?“
„Den kenne ich nicht.“
„Ich denke, Sie haben ihn drüben kennengelernt?“
„Nur kurze Zeit. Seitdem habe ich ihn nicht wiedergesehen und auch nichts wieder von ihm gehört.“
„Das hätten Sie sollen; aber er is nicht gut off Sie zu sprechen. Wenn meine Tochter Sie manchmal erwähnt, da kann er fuchsteufelswild werden.“
„Hat er dazu einen Grund?“
„Nee, keenen eenzigen. Aber er fängt gleich früh zu trinken an und ist deshalb den ganzen Tag benebelt.“
„Was Sie sagen!“
„Ja, so is es! Er muß das von seiner Mutter geerbt haben, die ja ooch am Säuferwahnsinn gestorben is.“
„Was sagt Ihre Tochter dazu?“
„Was soll die sagen! Die hat gar nichts zu sagen. Wenn die will, daß er etwas nich machen soll, da braucht sie ihn nur zu bitten, daß er's machen soll.“
„Steht es so? O weh! So ein Leben –“
„Grad wie Hund und Katze!“ fiel er ein. „Aber, wissen Sie, wir Millionäre können uns das leisten. Er wohnt unten und sie oben; sie reden den ganzen geschlagenen Tag keen Wort mitnander, höchstens wenn er mal zum Essen kommt.“
„Wurde es denn gleich am Anfang so gehalten?“
„Nee. Droben im Oil-Swamp war es anders. Da lebten wir ganz so, als ob wir zusammen gehörten; aber seit dieser Mister Potter unser Kompagnon geworden is, hat sich een ganz anderes und viel vornehmeres Leben eingestellt. Wissen Sie, diesen Potter kann ich sehr gut leiden. Er hält ooch große Stücke oof meine Tochter.“
„Ihr Schwiegersohn habe soviel zu tun, klagt Ihre Tochter?“
„Unsinn! Glooben Sie doch das nich! Der Potter versorgt das ganze Geschäft. Der rennt und schreibt und arbeitet Tag und Nacht. Der Werner aber, der bummelt bloß. Der is Mitglied von Clubs und anderen Gesellschaften, wo tüchtig getrunken und gespielt wird. Er wär ooch een Esel, wenn er das nich täte, denn er is ja Millionär und kann es machen. Der Potter mag nur immer für ihn arbeiten.“
In dieser Weise ging es fort und fort, weiter und weiter. Der Alte faselte das Blaue vom Himmel herunter, stützte sich nur auf die Millionen seines Schwiegersohnes und hatte keine Ahnung davon, daß er mir dabei einen Einblick in die geschäftlichen und familiären Verhältnisse des Hauses bot, bei welchem mir angst und bange wurde. Ob Martha ihren Mann liebte oder nicht, darüber konnte ich nicht klar werden. War es nicht der Fall, so bemühte sie sich, es zu verbergen. Das Paar hatte in der ersten Zeit recht gut gelebt; dann aber war Potter erschienen und hatte die Bekanntschaft Werners gemacht. Es kam mir ganz so vor, als ob dieser Yankee es auf das Vermögen Werners abgesehen habe. Werner schien ihm alles Vertrauen zu schenken und nach und nach in eine Falle zu gehen, in welcher er seinen geschäftlichen Ruin finden mußte. Am wahrscheinlichsten kam es mir vor, daß Potter ihn ruinieren wolle, um mit dem Vermögen auch die schöne, junge Frau zu erlangen.
Was konnte ich da tun? Zur Entlarvung des Menschen bedurfte es Zeit, höchstwahrscheinlich langer Zeit, und dann war es wohl schon zu spät. Ich mußte versuchen, einen Einblick in die Geschäfte zu gewinnen, und dagegen sträubten sich jedenfalls alle beide. Leicht konnte ich dadurch das Übel ärger machen. Während der Alte redselig erzählte, überlegte ich hin und her und kam zu dem Resultat, daß es am besten
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