38 - Satan und Ischariot II
durch Kansas und Missouri nach dem Osten, um per Dampfer heimzukehren.
Unsere Geschäfte in Franzisco waren schnell erledigt; dann schlenderten wir durch die Stadt. Ich trug noch meine mexikanische Kleidung und er seinen Indianeranzug; dies zog aber den Blick keines einzigen Menschen auf uns, denn solche Erscheinungen, wie wir waren, gehörten dort zu den gewöhnlichen.
Am Nachmittag besuchten wir die berühmten Woodward's Gardens, welche sich leicht mit unseren botanischen und zoologischen Gärten vergleichen lassen. Eben wollten wir da ins Aquarium treten, als uns drei Personen entgegenkamen, die ich zufälligerweise gar nicht beachtete, welche aber, wie ich doch bemerkte, bei unserem Anblick stehenblieben. Ich sah sie gar nicht an. Sie waren wohl Fremde, die sich für die charaktervolle Erscheinung Winnetous interessierten. Aber als wir vorüber waren, hörte ich die mehr als heimatlichen Worte:
„Sapperlot! Is das nich der Dres'ner Doktor, der meine Kinder nach Dres'en mitgenommen hat?“
Natürlich drehte ich mich um; da standen die drei, zwei Damen und ein Herr. Die eine der Damen war verschleiert; ich konnte ihre Züge nicht erkennen. Die andere Dame steckte in einem sehr noblen Kleid, welches ihr aber nicht recht stehen wollte; es sah aus, als gehöre sie nicht hinein. Ihr Gesicht kam mir bekannt vor; aber der Anzug und die fremde Gegend machten, daß ich mich nicht sofort auf sie besinnen konnte. Der Herr trug sich genau wie ein echter Yankee, sah aber dabei so lächerlich aus, daß ich, als ich ihm ins Gesicht sah, schmunzelnd ausrief:
„Was Teufel! Sind Sie es denn wirklich? Sie sind ja der reine Amerikaner geworden!“
Ja, es war der Celloist Vogel, der Vater von Franz und Martha aus dem Erzgebirge. Auf meine Worte richtete er sich um einen Zoll höher auf, warf sich in die Brust und antwortete:
„Nich nur Amerikaner, sondern ooch Millionärsch sind wir geworden; denken Sie sich nur, die reenen faktischen Millionärsch. Aber warum fragen Sie nich nach meiner Frau und Tochter hier? Kennen Sie sie etwa nich mehr?“
Also die ältere Dame in dem unpassenden Kleid war Frau Vogel und die andere – – – Martha, die Schwester meines Schützlings. Sie schob den Schleier empor und reichte mir die Hand.
„Ja, 's is meine Tochter, die Frau Ölprinzessin, die Millionärin!“ nickte ihr Vater wichtig. „Wissen Sie, drüben im Erzgebirge wohnen ooch noch Leute, aus denen so was Ordentliches werden kann! Aber 's Zeug muß man dazu haben 's richtige, ordentliche Zeug!“
„Vater!“ bat da die Tochter. „Du weißt ja, daß wir alles eben nur diesem Herrn zu verdanken haben!“
„Na, eegentlich ja; wie man's nimmt. Er hat uns mit der Nase droff gestoßen; aber daß wir nachher mit der Nase droffgeblieben sind, das war die Folge von unserer eegenen und angeborenen Pfiffigkeet. Doch darum keene Feindschaft nich. Zu was treiben denn Sie sich hier in Amerika herum?“
„Aus alter Gewohnheit. Sie wissen doch, daß ich öfters reise.“
„Ja. Und daran tun Sie sehr recht, denn wer eene große Reese macht, der kommt als gebildeter Mann heeme. Ich hab das an mir selber erfahren. Ich bin als een ganz anderer hier angekommen, als ich drüben war. Wissen Sie, man is ooch eener von die Großen mit geworden. Man kriegt ordentlich Respekt vor sich selber. Hier ist alles anders, schöner, vornehmer und teurer. Aber unsere Einrichtung haben Sie noch nich gesehen, da müssen Sie gleich mit! So was haben Sie noch nich gesehen. Wir wohnen wie die Ferschten oder Großherzöge. Kommen Sie! Sie setzen sich mit in unsere Ekipaasche. Sie brauchen keene Angst zu haben, wir haben Platz genug für Sie.“
„Tut mir leid; ich bin jetzt anderweit beschäftigt. Auch bin ich nicht allein. Hier steht mein Freund Winnetou, von welchem Sie, Frau Werner, doch auch gehört und gelesen haben.“
Sie hatte mit ihren Augen bis jetzt nur an mir gehangen, dann wandte sie sich Winnetou zu, reichte ihm auch die Hand und fragte mich dann:
„Also keine Zeit haben Sie? Wie lange bleiben Sie hier?“
„Wahrscheinlich verlassen wir schon morgen San Franzisco.“
„Und da wollen Sie nicht mit uns kommen? Wissen Sie nicht, daß dies grausam ist? Kommen Sie mit! Ich bitte Sie!“
„Und Ihr Herr Gemahl – – –?“
„Wird sich herzlich darüber freuen. Wahrscheinlich aber ist er nicht daheim.“
„Gut, ich fahre mit. Erlauben Sie mir nur einen Augenblick, mich von meinem Freund zu trennen.“
„Nein, das nicht. Ich habe
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