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38 - Satan und Ischariot II

38 - Satan und Ischariot II

Titel: 38 - Satan und Ischariot II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sei, mich in diese Angelegenheit nicht zu mischen.
    Bald kam dann die Frau Vogels, um uns zum Essen zu rufen. Martha hatte keine Diener bestellt, weil sie wünschte, daß wir ganz allein und freundschaftlich unter uns sein sollten. Es gab ein einfaches Mahl, und ich bemerkte gar wohl, daß die junge Frau sich nach langer Zeit wieder einmal innerlich wohl fühlte. Nach Tisch durften wir uns im Speisezimmer wieder eine Zigarre nehmen, und Martha begab sich in den Nebenraum, welcher, wie ich bald hörte, das Musikzimmer war. Es erklangen einfache, einleitende Akkorde auf dem Pianino, und dann erscholl die herrliche Stimme der einstigen Sängerin; sie sang ein deutsches Lied.
    Ich saß mit dem Rücken dem Eingang und mit dem Gesicht dem Musikzimmer zugekehrt. Winnetou saß mir gegenüber und lauschte mit angehaltenem Atem. Er verstand die deutschen Worte nicht, war aber ganz entzückt von dem Gesang. Da nahm sein Gesicht plötzlich einen ganz anderen Ausdruck an; ich sah, daß er scharf nach der Tür blickte und eine Bewegung machte, als ob er vom Stuhl aufstehen wolle. Schnell drehte ich mich um. Hinter mir standen unter der geöffneten Tür zwei Männer, nämlich der Ölprinz und Potter, wie ich nachher hörte. Der letztere war ein junger Mann von gar nicht übler Figur; sein Gesicht hatte jetzt den Ausdruck lauernder Spannung. Werners stark gerötete Augen waren stier auf mich gerichtet. Er wankte hin und her. Man sah sofort, daß er betrunken war.
    Da ich den mexikanischen Anzug trug, hatte er mich, ehe ich mich umwendete, nicht erkannt. Jetzt aber sah er mein Gesicht, ballte sofort beide Fäuste, taumelte auf mich zu und schrie:
    „Da ist ja der Halunke, der mir meine Frau abspenstig machen wollte! Der ist da bei ihr? Und sie singt ihm dieses Lied? Alle tausend Teufel! Potter, greif zu! Dem hauen wir die Knochen weich!“
    Potter folgte der Aufforderung: ich stand auf. Noch hatten sie mich nicht erreicht, so erschien Martha. Sie hatte die Stimme ihres Mannes gehört und darum das Lied unterbrochen. Sie flog herbei, stellte sich zwischen mich und die beiden, breitete die Arme aus und rief:
    „Keinen Schritt weiter! Du beleidigst nicht nur mich und meine Ehre, sondern auch dich selbst!“
    „Weg mit dir!“ fuhr er sie an. „Ich habe mit ihm zu reden. Mit dir spreche ich dann auch!“
    „Ich weiche keinen Schritt! Ich bin dem Herrn Doktor ganz zufällig begegnet und habe ihn natürlich eingeladen. Willst du unseren Gast beschimpfen!“
    „Gast? Gast?“ lachte er höhnisch. „Potter ist mein Gast. Den habe ich geladen! Diesem deutschen Tintenkleckser aber werde ich den Kopf waschen. Potter, komm! Wir hauen ihn, bis er nicht mehr schreien kann! Weg mir dir, Weib!“
    Er ergriff sie beim Arm, ließ denselben aber sofort wieder los, denn neben ihm stand Winnetou. Eine einzige gebieterische Handbewegung desselben genügte, die beiden Angreifer einige Schritte zurückweichen zu lassen.
    „Wer von euch beiden ist der Mann, dem dieses Haus gehört?“ fragte der Apache im reinsten Englisch.
    „Ich bin es“, antwortete Werner, indem er sich Mühe gab, ohne Taumeln festzustehen.
    „Ich bin Winnetou, der Häuptling der Apachen. Hast du von mir gehört?“
    „Alle Teufel! – Winnetou, Winnetou!“
    „Ja, das ist mein Name. Ich höre, daß du ihn kennst. Aber ich weiß nicht, ob du auch meine Eigenschaften und meine Taten kennst. Versuche nicht, sie kennenzulernen! Höre auf die Worte, welche ich dir sage. Wir sind deiner Frau begegnet. Sie lud uns hierher ein, und wir folgten ihr, um dir die Ehre unserer Gegenwart zu erweisen. Wir haben hier gesessen, und sie hat ein Lied gesungen. Das ist alles, was geschehen ist. Wenn du sie das entgelten läßt, wird Winnetou sie rächen. Meine Macht reicht bis in die Mitte dieser großen Stadt und bis in den hintersten Winkel des tiefsten Kellers des entlegensten Hauses. Ich werde dich beobachten lassen. Sage mir nur ein zorniges Wort zu ihr, so wird einer meiner Apachen dir mit seinem Messer antworten. Jetzt weißt du, was ich will. Handelst du nicht danach, so ist es um dich geschehen!“
    Dann griff er seinen Gürtel, zog ein Goldstück heraus, legte es auf den Tisch und fügte hinzu:
    „Hier ist der Preis für das, was wir bei dir gegessen haben. Old Shatterhand und Winnetou mögen nichts von dir geschenkt haben, denn sie sind reicher, als du bist. Ich habe gesprochen!“
    Werner wagte nicht ein Wort zu erwidern. Er stand da wie ein Schulknabe, der eine Züchtigung

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