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38 - Satan und Ischariot II

38 - Satan und Ischariot II

Titel: 38 - Satan und Ischariot II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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bekommen hat. Potter schien sich darüber zu ärgern und dennoch heimlich Freude darüber zu empfinden. Ich legte meine Hand auf seinen Arm und fragte:
    „Master, Ihr habt meinen Namen gehört und wißt also, wer ich bin?“
    „Ja“, antwortete er.
    „Ich durchschaue Eure Absichten. Mach es gnädig mit Eurem Kompagnon, sonst findet Ihr auch keine Gnade vor mir. Ich werde wiederkommen und Euch richten, nicht nach den Paragraphen Eurer Bücher und Akten, sondern nach dem strengen Gesetz der Prärie. Euer Kompagnon wird Euch von mir erzählt haben. Glaubt ja nicht, daß er mich kennt. Und glaubt auch nicht, daß ich hier ebenso nachsichtig handeln würde, wie ich drüben gegen ihn gewesen bin. Und damit Ihr seht, daß es mein Ernst ist, will ich Euch Old Shatterhands Petschaft in die Muskeln drücken.“
    Ich legte ihm die rechte Hand um den Oberarm und preßte denselben zusammen. Er stieß nicht etwa einen Schrei, sondern ein förmliches Geheul aus. Dann ging ich mit Winnetou nach der Tür. Wir schritten, ohne uns nur einmal umzusehen, zu derselben hinaus in das Empfangszimmer und traten in den Fahrstuhl. Ein Druck auf den Knopf setzte denselben nach unten in Bewegung; dann verließen wir den Palast, welcher nach meiner Ansicht dem Schicksal entgegensah, ein Haus des Elends zu werden.
    Am nächsten Tag ritten wir von San Franzisco fort, und drei Monate später nahmen wir am Hole in Rock für dreißig Monate Abschied voneinander. Er behielt das Pferd, welches ich geritten hatte, zurück, und ehe wir uns trennten, wurden, wie es auch früher stets gewesen war, der Ort und die Zeit genau besprochen, an welchem und zu welcher wir uns wiedertreffen wollten.
    Einige Monate blieb ich daheim; sodann ging es wieder fort, dieses Mal nach dem Orient, in welchem ich zwanzig Monate blieb. Nach meiner Rückkehr von dort versteckte ich mich für einige Zeit zwischen meine Bücher und kam nur wenig unter Menschen. Wöchentlich einmal aber besuchte ich einen Gesangsverein, dessen Ehrenmitglied ich war und heute noch bin. Das war meine Erholung.
    Einen Sonnabends saßen wir nach der Übungsstunde beisammen, um über ein Konzert zu milden Zwecken zu verhandeln, da kam der Wirt in unser separates Zimmer und teilte mir mit:
    „Es sind zwei Herren da, welche mit Ihnen sprechen wollen.“
    „Wer ist's?“
    „Ich kenne sie nicht. Der eine ist ein junger, sehr anständiger Herr, der andere aber ein ganz eigentümlicher dunkelfarbiger Mensch. Er spricht kein Wort, nimmt den Hut nicht ab und sieht einen mit seinen Augen an, daß man sich ganz unheimlich fühlt.“
    „Scharlih!“ rief es da unter der offengebliebenen Tür.
    Ich sprang schnell auf. Scharlih pflegte Winnetou meinen deutschen Vornamen auszusprechen. Und da stand er unter der Tür! Winnetou, der berühmte Häuptling der Apachen in Dresden! Und wie sah der gewaltige Krieger aus! Eine dunkle Hose, eine ebensolche Weste, um welche ein Gürtel geschnallt war, einen kurzen Sakkorock; in der Hand einen starken Stock und auf dem Kopf einen hohen Zylinderhut, den er nicht abgenommen hatte! Ich erzähle die Tatsache in einfacher, kurzer Weise, brauche aber wohl kaum zu versichern, daß meine Überraschung, mein Erstaunen, ihn hier zu sehen, wenigstens ebenso groß wie mein Entzücken darüber war.
    Ich sprang auf ihn zu; er kam mir ebenso rasch entgegen; auf halbem Weg fielen wir uns in die Arme. Wir küßten uns wieder und immer wieder, betrachteten uns in den Zwischenpausen und brachen schließlich in ein herzliches Gelächter aus, was bei dem Apachen noch nie vorgekommen war. Die Gestalt, in welcher er seinen Shatterhand vor sich sah, war ganz so zahm, und die Figur, welche der tapferste der Apachen bildete, war so friedlich und so drollig, daß ein Hexenmeister dazu gehört hätte, sich des Lachens zu enthalten.
    Er hatte nicht auf die Rückkehr des ihn anmeldenden Wirtes gewartet, sondern war demselben gefolgt. Nun kam auch der junge Herr, der bei ihm gewesen war; das war kein anderer als – Franz Vogel, der frühere Schüler meines Kapellmeisters.
    Die anwesenden Sänger kannten den Apachen alle aus meinen Erzählungen. Welch ein Hallo, als ich seinen Namen nannte! Zunächst wollten sie es nicht glauben. Sie konnten sich ihn nicht anders denken, als in seiner bekannten Kleidung mit der berühmten Silberbüchse. Ich ahnte, weshalb er den Hut nicht abnahm; er hatte die Fülle seines reichen, dunklen Haares unter denselben verborgen. Ich nahm ihm den Zylinder ab; da wurde es

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