39 - Satan und Ischariot III
weil in diesem Augenblick etwas geschah, worüber man allerdings leicht erschrecken konnte. Nämlich Emery hatte meinen Schuß gehört; ich hatte ihn durch denselben eigentlich nicht herbeirufen wollen, denn wir brauchten seine Hilfe nicht; er war aber doch in die Felsenenge eingedrungen, kam aus derselben heraus und mit einem kühnen Sprung über das brennende Feuer geflogen, und zwar mitten unter die Roten hinein, welche ganz erstarrt über das so plötzliche Erscheinen des kühnen Englishman waren. Er sandte natürlich seinen Blick nach oben, sah uns stehen und rief zu uns herauf, indem er sein Gewehr schwang:
„Charley, was soll ich tun? Soll ich die Kerle ein wenig totschlagen?“
„Nein, das ist nicht nötig, denn wir werden uns in Güte einigen. Komm aber herauf zu uns!“
„Daß ich von ihnen hinterrücks erschossen werde, während ich die Leiter ersteige!“
„Es wird keiner schießen, denn wenn es einer nur wagen wollte, seine Flinte zu erheben, würde ihn sofort meine Kugel treffen. Also komm!“
Er kam der Aufforderung nach und wurde von den Roten nicht daran gehindert. Waren sie erst so erschrocken darüber gewesen, daß Winnetou und ich uns so plötzlich mitten im Pueblo befanden, so hatte das Erscheinen Emerys sie nun vollständig verblüfft. Sie dachten gar nicht daran, von ihren Gewehren Gebrauch zu machen, die übrigens so schlecht waren, daß wir sie jetzt, des Nachts, gar nicht zu fürchten brauchten. Als Emery unsere Terrasse erreicht hatte, sagte er:
„Ich sehe, daß ihr glücklich herabgekommen seid. Wo stecken die Meltons? Wißt ihr das?“
„Ja. Doch warte, ich muß erst mit den Roten da unten fertig werden“, antwortete ich ihm. Und mich an diese wendend, fuhr ich weiter zu ihnen fort:
„Meine roten Brüder haben gesehen, daß wir uns nicht vor ihnen fürchten, daß sie sich vielmehr ganz in unserer Gewalt befinden. Ebenso wissen sie, daß wir nur die beiden Bleichgesichter von ihnen fordern. Werden sie uns unbelästigt damit abziehen lassen?“
„Du verlangst also gar nichts von uns?“ fragte der Sprecher.
„Nichts!“
„Verlangst du etwa die weiße Squaw, welche hier wohnt?“
„Nein.“
„Sie war die Squaw unsers Häuptlings, die wir beschützen müßten!“
„Wir mögen sie nicht haben und werden euch das große Glück, sie beschützen zu dürfen, nicht rauben.“
„Und was ihr gehört, das laßt ihr ihr auch?“
„Ja. Was ihr rechtmäßiges Eigentum ist, werden wir nicht anrühren.“
„So sind wir bereit, mit euch Frieden zu schließen. Wo soll die Pfeife des Friedens geraucht werden?“
„Hier oben bei uns.“
„So sollen wir alle hinaufkommen?“
„Nein. Es genügt, daß du allein kommst; du hast für deine Brüder gesprochen und wirst auch für sie handeln. Also komm, und bring dein Kalumet mit!“
Es konnte mir nicht einfallen, alle Yumas heraufzulassen; das wäre eine große Unvorsichtigkeit gewesen. Er kam allein und nahm die alte schmierige Pfeife vom Hals, an welchem er sie mittelst eines Riemens hängen hatte. Tabak hatte er in einem Beutel, der in seinem Gürtel steckte. Wir setzten uns nieder und ließen die Pfeife in die Runde gehen. Obgleich wir dabei die sonst gebräuchlichen Zeremonien möglichst abkürzten, konnten wir dann, als die Pfeife leer geraucht war, doch überzeugt sein, daß die Yumas unser Übereinkommen respektieren würden. Das bekräftigte auch der Sprecher, der am Schluß aufstand und in beteuerndem Ton sagte:
„Es ist also Friede geschlossen zwischen uns und euch, und wir werden ihn halten. Ihr seid nur drei Krieger, und wir sind unser so viele; dennoch sind wir ganz in eure Hände gegeben, denn wir haben kein solches Zaubergewehr, wie Old Shatterhand besitzt. Werden meine Brüder wirklich ihr Wort halten und uns nichts tun und nichts nehmen?“
„Ja“, antwortete ich. „Wir haben noch nie unser Wort gebrochen.“
„So werde ich euch beweisen, daß auch wir es ehrlich meinen. Unsere Krieger sollen alle ihre Flinten und Messer heraufsenden und sie hier bei euch niederlegen. Dann seid ihr sicher, daß wir wirklich friedlich gesinnt sind.“
„Mein roter Bruder mag den Befehl dazu erteilen. Dann wünschen wir, daß ihr das Feuer bis zum Anbruch des Tages unterhaltet und daß keiner von euch sich davon entfernt. Willigst du ein?“
„Ja.“
„Und sodann wirst du uns sagen, wie wir den jungen Weißen, den wir haben wollen, am leichtesten in unsere Hand bekommen?“
„Nein, das werde ich nicht sagen,
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