39 - Satan und Ischariot III
laut, daß jeder es hören konnte:
„Sie kommen. Daß ja kein Nijora sich vor der Zeit sehen läßt!“
Winnetou und Emery, welche bis jetzt noch außerhalb der Bäume gestanden hatten, verschwanden darunter. Dunker, der neben mir durch den Ausgang blickte, sagte zu mir:
„Sie kommen sehr schnell näher. Man kann sie schon deutlich erkennen. Die Lady reitet mit Melton voran. Nun werden sie halten bleiben, um einen Kundschafter herzusenden.“
„Pshaw! Dazu sind sie zu unvorsichtig. Auch wäre es zu spät, da sie, wenn sich Feinde hier befänden, nun doch von diesen schon bemerkt sein würden.“
„Well! Meint Ihr, daß wir etwa keine Feinde von ihnen sind? Ich denke doch, und zwar was für welche!“
„Sie werden es sehr bald erfahren. Doch kommt; wir müssen uns nun auch verstecken!“
Wir krochen mit dem ‚Scharfen Auge‘ unter die Bäume und zogen uns da so weit zurück, daß wir von draußen nicht gesehen werden, aber doch alles sehen konnten.
Jetzt hörten wir schon das Getrappel der Pferdehufe. Sie kamen; sie waren da. Sie hielten draußen, weil der Eingang zu schmal war, alle schnell hereinzulassen. Wir sahen sie hereinkommen, die Mogollons und Yumas, einen nach dem anderen. Sie stiegen ab und führten, wie wir vermutet hatten, die Pferde hinunter an das Wasser, von wo wir ihre Stimmen laut heraufklingen hörten.
Zuletzt kam Melton mit der Jüdin. Sie waren zuvor vorangeritten, dann aber draußen haltengeblieben, um die anderen erst hereinzulassen. Er stieg von seinem Pferd und half ihr von dem ihrigen herab.
„Bist du müde?“ hörte ich ihn fragen.
„Nein, ich habe mit meinem Häuptling tagelang zu Pferd gesessen.“
„Als er noch dein ‚lieber‘ Roter war; später dann aber wohl nicht mehr!“ lachte er. „Bleib oben; ich will dein Pferd mit hinunternehmen. Die Tiere müssen hier trinken, weil wir nicht lange hierbleiben und bis zur ‚Quelle des Schattens‘ kein Wasser wiederfinden.“
Er stieg mit den Pferden die sanfte Böschung hinab; sie blieb stehen; sie war die einzige Person, welche sich noch oben befand. Das Wasser lag so tief, daß sie von dort aus nicht gesehen werden konnte. Jetzt war es Zeit für mich. Ich kroch unter den Bäumen hervor und stand, den Henrystutzen in der Linken, hinter ihr.
„Guten Morgen, Señora!“ sagte ich.
Sie fuhr herum. Als sie mich erblickte, sah ich, daß sie einen Schrei des Schreckens ausstoßen wollte; er blieb aber in ihrem Mund zurück. Ihre Augen waren vor Entsetzen weit geöffnet.
„Sie staunen mich an wie einen Fremden? Hoffentlich haben Sie die Güte, sich meiner noch zu erinnern. Es ist doch noch gar nicht so lange her, daß wir uns zum letzten Mal gesehen haben.“
„Old – Old – Shatter – hand!“ stammelte sie.
„Ja, so heiße ich. Es freut mich, daß Sie meinen Namen noch nicht vergessen haben.“
„Was – was wollen – Sie – Sie hier?“
„Sie will ich, Sie und Ihren geliebten Jonathan.“
„Das – das ist ja Wahnsinn! Sie sind unser Feind. Wissen Sie, daß wir fünfzig und noch mehr Indianer bei uns haben?“
Sie stieß das sehr schnell und drohend hervor, aber doch nicht laut, weil der Schreck noch jetzt nachwirkte.
„Freilich weiß ich das!“ sagte ich.
„Sie sind verloren, passen Sie auf!“
Sie ergriff meinen Arm, um mich festzuhalten, damit ich nicht entfliehen könne, wendete sich nach dem Wasser um und wollte einen Ruf ausstoßen; aber ehe derselbe über ihre Lippen kam, hielt ich ihr die Mündung des Stutzens vor den Kopf und drohte:
„Kein Wort, Señora, sonst bekommen Sie augenblicklich eine Kugel! Mister Dunker!“
Der Gerufene kam hervorgekrochen und fragte:
„Was soll ich, Sir?“
„Auf die Lady Achtung geben, damit sie uns nicht spazierengeht. Behandelt sie mit liebevoller Teilnahme, Mister!“
„Well, soll mir eine Freude sein! Seht Ihr dies Messer, Mylady? Sobald Ihr den kleinsten Schritt von der Stelle tut, schneide ich Euch beide Ohren ab. Ich nenne mich Will Dunker und halte Wort!“
Er hielt ihr sein Messer vor das Gesicht. Ich wendete mich ab und hob den Arm in die Höhe. Da kamen rundum die Nijoras unter den Bäumen hervorgekrochen und taten, was ihnen befohlen worden war. Sich am Rand der Böschung niederstreckend, legten sie ihre Gewehre auf die Untenstehenden an. Da hörte ich Meltons laute Stimme:
„Tausend Wetter! Was ist das? Gewehre rundum! Wer ist da oben?“
Er hatte heraufsteigen wollen und die auf ihn gerichteten Läufe bemerkt. Ich trat so
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