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39 - Satan und Ischariot III

39 - Satan und Ischariot III

Titel: 39 - Satan und Ischariot III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wartet.“
    „Ach was! Mag es sein, was es will, es kann mich doch nicht so erfreuen wie die Nachricht, daß Sie meine Schwester aus den Händen der Mogollons befreit haben?“
    „Oho! Beteuern Sie nicht zu viel! Ich möchte behaupten, daß die zweite Überraschung Sie noch weit mehr entzückt als die erste.“
    „Wirklich? Dann heraus damit!“
    „Heraus damit? Meinen Sie, daß ich die Sache in der Tasche habe?“
    „Nein. Das war doch ein ganz zufälliger Ausdruck.“
    „Der aber ebenso zufällig ganz gut paßt. Ich habe die Überraschung nämlich wirklich in der Tasche.“
    „Dann bitte, bitte, zeigen Sie!“
    „Hier!“ sagte ich, indem ich Jonathan Meltons Portefeuille herauszog.
    „Eine Brieftasche?“ meinte er, einigermaßen enttäuscht.
    Er nahm sie in die Hand und betrachtete sie von allen Seiten.
    „Öffnen Sie doch“, forderte ich ihn auf.
    Nun war es ein Genuß für mich, sein Mienenspiel zu beobachten. Welche Augen machte er, als er die Aufschrift des ersten Lederkuverts las und dann, dasselbe aufschlagend, die Wertpapiere erblickte. Seine Seele, sein Herz, alle seine Sinne, sein Leben trat in seine Augen. Er öffnete ein Kuvert nach dem anderen; seine Augen wurden größer und größer; er war aufgesprungen und stand vor mir; seine Hände zitterten, und seine Lippen bebten, aber sprechen konnte er nicht. Fast wollte es mir bange um ihn werden, denn auch die Freude kann schädigen, sogar töten; da ließ er die Tasche plötzlich in das Gras fallen, warf sich selbst nieder, grub das Gesicht in die Hände und weinte laut, fast überlaut und lange Zeit.
    Ich sagte nichts; ich tat die herausgefallenen Kuverts in die Fächer der Tasche zurück, verschloß die letztere und legte sie neben ihn hin. Dann wartete ich, bis sein Weinen in ein immer leiser werdendes Schluchzen überging und dann erstarb. Er lag noch einige Minuten still da; dann richtete er sich auf, nahm die Tasche wieder in die Hand und fragte, noch immer tränenden Auges:
    „Ist das – das – das von Jonathan Melton?“
    „Ja“, antwortete ich und erzählte ganz kurz.
    „Und es ist wirklich das Vermögen des alten Hunter?“ fragte er.
    „Ich kann es getrost beschwören.“
    „Und gehört mir oder vielmehr meiner Familie?“
    „Natürlich!“
    „Darf ich es dann einstecken?“
    „Nein, weil ich es Ihnen vor den Augen derer überreichen möchte, welche sich darüber ärgern.“
    „Gut, Sie haben recht. Hier ist die Brieftasche zurück. Meine Frage, ob ich sie einstecken darf, mußte Sie beleidigen.“
    „Nicht im geringsten. Ich werde sie nur noch kurze Zeit behalten, dann bekommen Sie sie wieder. Was Sie nachher damit tun, kann mir nicht gleichgültig sein, doch werde ich –“
    „Warum nicht gleichgültig?“ unterbrach er mich. „Sprechen Sie doch! Seien Sie aufrichtig!“
    „Gern! Sie wissen, was es gekostet hat, dieses Geld endlich zu erwischen, oder vielmehr Sie wissen es noch nicht, wenigstens noch nicht alles. Jetzt haben wir es. Aber wir befinden uns im Wilden Westen, und Sie sind ein hier ganz unerfahrener Mann. Meinen Sie, daß Ihre Tasche der richtige, der sicherste Ort für diese Millionen ist?“
    Da rief er aus, als ob er über meine Frage und die Gefahren, welche dieselbe in Aussicht stellte, außerordentlich erschrocken sei:
    „Nein, nein! Ich mag das Geld nicht, jetzt noch nicht! Behalten Sie es! Bei Ihnen ist es sicherer als bei mir, weit, weit sicherer als auch bei jedem anderen. Ich brächte es wahrscheinlich gar nicht nach Hause. Nein, nein, behalten Sie es, behalten Sie es!“
    „Ihre Schwester hat auch darüber zu bestimmen. Wir werden sie also fragen, sobald sie hier angekommen ist. Und nun will ich Ihnen nochmals ausführlicher erzählen, worüber ich Ihnen nur Andeutungen gemacht habe, nämlich was seit dem Augenblick, an welchem Sie mit dem Häuptling der Nijoras fortritten, geschehen ist.“
    Ich hätte ihm dies auch später erzählen können, aber erstens hatte ich jetzt Zeit dazu und zweitens tat ich es wegen der Aufregung, in welcher er sich befand. So plötzlich einige Millionen in die Hand zu bekommen, das kann nicht jedermann vertragen. Es war jedenfalls eine Wohltat für seine Nerven, wenn ich ihn veranlaßte, seine Aufmerksamkeit auf meinen Bericht zu lenken.
    Aus diesem Grund erzählte ich möglichst umständlich, und zu meiner Genugtuung, folgte er selbst dem Nebensächlichen mit ungeteiltem Interesse. Ich hörte erst auf, als ich mit meiner Erzählung bei dem gegenwärtigen

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