39 - Satan und Ischariot III
darüber, daß ich sie Euch abtreten muß!“
„Aber Ihr habt mich doch an der Nase geführt. Ich hätte ja die Millionen bekommen, auch ohne Euch ein Versprechen gegeben zu haben. Jonathan wird auf alle Fälle mein Gefangener; ich würde die Tasche unbedingt bei ihm finden.“
„Meinetwegen. Aber ich hoffe, daß Ihr wegen dieser kleinen List nicht zornig auf mich seid?“
„O bitte, ganz und gar nicht. Doch ebenso hoffe ich, daß Eure Angabe sich als richtig erweist, daß er das Geld auch wirklich noch hat, denn ich habe, wohl gemerkt, die Bedingung gestellt, daß ich es auf Eure Anweisung, durch Eure Hilfe bekommen muß!“
„Das werdet Ihr auch!“
„Und was soll dann mit Jonathan geschehen? Vielleicht geht es ihm gar an das Leben!“
„Jeder ist seines Schicksals Fabrikant. Ich kann ihm nicht helfen. Er hat mir zu wenig gegeben, hat mich betrogen; ich sage mich von ihm los, und es ist mir ganz einerlei, was mit ihm geschieht. Stirbt er, so ist es mir ganz recht, denn ich habe dann später vor ihm Ruhe. Ihr aber macht das beste Geschäft dabei, viel, viel besser als das meinige!“
Das war ein Vater! Mir graute so vor ihm, daß es mir war, als ob mir ein Stück Eis auf den Rücken gelegt würde. Doch überwand ich mich und antwortete gelassen:
„Ja, mein Lohn ist sehr hoch, doch kann mich das nicht aus der Fassung bringen, denn ich bin schon reich. Die Millionen habe ich schon.“
Bei diesem Wort klopfte ich an die Tasche.
„Die möchte ich einmal sehen!“ lachte er.
„So will ich Euch diesen Gefallen tun. Ein bißchen Spaß ist Euch doch wohl zu gönnen. Seht also einmal her! Hier – hier – hier und hier!“
Ich zog die Brieftasche hervor, öffnete sie und hielt ihm bei jedem ‚hier‘ eines der Kuverts vor die Augen. Ah, was machte er da für ein Gesicht! Wie schnell veränderte sich der Ausdruck desselben! Es war, als ob es ihm die Augen aus ihren Höhlen treiben wolle. Er riß den Kopf so weit empor, wie seine Fesseln es zuließen, und brüllte mich an:
„Das – das – das ist doch – woher habt Ihr diese Brieftasche! Oh, Ihr Teufel, Teufel, Teufel!“ schrie er plötzlich und stierte mich dabei mit einem Blick an, dessen Ausdruck gar nicht zu beschreiben ist.
„Regt Euch doch nicht so sehr auf!“ antwortete ich. „Was schadet es, daß ich Eurem Sohn einen heimlichen Besuch in seinem Zelt abgestattet habe? Nur tut es mir leid um Euch. Ihr könnt Euer Wort nicht halten, mir nicht zu den versprochenen Millionen verhelfen. Ich habe sie nicht auf Eure Anweisung, oder durch Eure Hilfe. Nun kann ich Euch nicht freilassen.“
„Ni-i-icht?“ dehnte er in einer Aufregung hervor, welche seinen ganzen Körper zittern ließ.
„Nein. Und das Geld könnt Ihr auch nicht bekommen.“
Er antwortete nicht. Sein Kopf sank hintenüber; seine Wangen fielen ein, und seine Augen schlossen sich. Ich glaubte, es sei infolge der allzu großen Enttäuschung ein Ohnmachtsfall über ihn gekommen, und wendete mich schon ab, um fortzugehen, da kam beim Geräusch meines ersten oder zweiten Schrittes neues Leben über ihn. Er reckte die gefesselten Glieder, daß die Riemen krachten und die Pflöcke sich bogen und brüllte mich an:
„Du stammst aus der Hölle! Weißt du, wer du bist? Der Satanas, der leibhaftige Satanas!“
„Unsinn! Dein Bruder war der Teufel; ich habe ihn stets so genannt, vom ersten Augenblick an, da ich ihn sah. Und du bist Ischariot, der Verräter. Du hast allen, die dir Gutes taten, mit Bösem vergolten. Du nahmst deinem eigenen Bruder das Leben und das Geld, und soeben hast du deinen Sohn, deinen einzigen Sohn, dein Kind an mich verraten. Ja, du bist Ischariot und wirst sterben wie jener Verräter, welcher hinging und sich selbst aufhing. Du wirst nicht durch die Hand des Henkers sterben, sondern dich selbst ermorden. Möge Gott gnädiger gegen dich sein, als du selbst!“
Ich wendete mich von ihm und ging zu Franz Vogel, welcher, von ihm ungesehen, in der Nähe gestanden und alles mit gesehen und gehört hatte.
„Ein entsetzlicher Mensch!“ sagte der junge Mann. „Glauben Sie nicht, daß er sich noch bessern kann?“
„Ich wünsche jedem Sünder eine reuige Umkehr, und im Himmel ist Freude über ein jedes verlorenes Schaf, welches sich wiederfinden läßt; dieser hier aber wird sich nicht finden lassen, sondern sich vor der Reue verstecken. Er ist noch schlimmer, noch viel gottloser als sein Bruder, der durch seine Hand den Tod gefunden hat. Man möchte weinen,
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