39 - Satan und Ischariot III
Ihnen Wichtiges zu sagen, darf Sie aber jetzt nicht stören, sondern will Sie nur fragen, wo Sie wohnen.“
„Im letzten Haus vor der Stadt am Fluß“, antwortete er.
„Darf ich Sie nach dem Konzert dorthin begleiten?“
„Ja, ja, wir bitten Sie sehr darum.“
„Gut! Ich werde also hierherkommen, um Sie abzuholen. Winnetou ist auch hier.“
Martha hielt die Hände vor das Gesicht und weinte; ich ging, um die Aufregung abzukürzen. Als ich an die Stelle kam, wo mein Name genannt worden war, wollte ich die beiden Männer schärfer als vorher ins Auge fassen; ihre Stühle waren leer; sie waren fort. Wäre ich doch vorhin nicht weitergegangen!
Es dauerte jetzt eine längere Weile, ehe die Geschwister wieder erschienen. Martha mußte sich beruhigen, bevor sie sich zeigen konnte. Ihr Bruder trug ein Konzertstück vor; dann sang sie. Als der rauschende Beifall verklungen war, zeigte sich das Publikum so begeistert, daß sich niemand entfernen wollte; es dauerte sehr lange, ehe der Saal sich leerte. Winnetou ging auch; er wollte mich allein mit den Geschwistern lassen, und das war mir nicht unlieb, denn wir hätten doch deutsch gesprochen, und das verstand er nicht vollständig. Als ich glaubte, annehmen zu dürfen, daß keiner der begeisterten Zuhörer mehr willens sei, der Sängerin belästigend in den Weg zu treten, begab ich mich in ihr kleines Kabinett, um sie abzuholen. Sie sagte nichts, und auch ich schwieg. Ich bot ihr den Arm, und wir verließen das Lokal. Ihr Bruder konnte nicht gleich mitkommen, da er mit dem Wirt geschäftlich zu tun hatte.
Der Abendhimmel war von jener Bläue, welche New-Mexiko, wo es oft während eines ganzen Jahres nicht regnet, eigen ist. Man konnte, obgleich der Mond nicht am Himmel stand, fast wie am Tag sehen. Das Haus, in welchem die Geschwister für die kurze Zeit ihres hiesigen Aufenthaltes Logis genommen hatten, lag noch eine Strecke weiter nahe am Fluß. Die Wirtin war eine Witwe spanischer Abstammung. Martha hatte nicht in einem der öffentlichen Gasthäuser wohnen wollen. Dieselben wurden zwar Hotels genannt, boten aber keine Bequemlichkeit, waren überteuer und dabei Lokale, in denen alle möglichen Menschen und Existenzen verkehrten, so daß man seiner Bequemlichkeit und Ruhe, ja selbst wohl auch seines Lebens nicht sicher war.
Der schmale, ausgetretene Pfad, den wir gingen, führte hart am Ufer des Flusses hin. Da stand allerlei Gebüsch, hinter dem dichtes Schilf aus dem Wasser ragte. Die Wirtin öffnete; sie hatte auf die Heimkehr der Geschwister gewartet und zeigte ein einigermaßen verwundertes Gesicht, als sie ihre Mitbewohnerin mit einem fremden Mann erblickte; doch sagte sie nichts und leuchtete uns eine schmale Treppe hinauf in das kleine Obergeschoß, in welchem die dreizimmerige Wohnung der beiden lag. Häuser mit einem solchen Geschoß sind in Albuquerque äußerst selten. Nachdem sie eine Lampe angezündet hatte, entfernte sie sich, doch nicht, ohne daß sie vorher von Martha erfahren hatte, daß ihr Bruder gleich nachkommen werde.
Nun saßen wir einander gegenüber. Es mußte gesprochen werden; darum wollte ich es sein, welcher begann:
„Sie wissen natürlich, daß Ihr Bruder drüben bei mir in der Heimat gewesen ist, um mir mitzuteilen, wie es bei Ihnen stand?“
„Ja. Ich bin es eigentlich gewesen, welcher ihm den Mut gemacht hat, sich an Sie zu wenden.“
„Gehörte solch ein Mut dazu?“
„Gewiß. Er meinte, Sie würden wohl kaum bereit sein, nach allem, was früher vorgekommen war, sich unser noch einmal anzunehmen.“
„Da bin ich freilich von ihm nicht so beurteilt worden, wie es mir lieb sein würde. Übrigens war es ja wohl Winnetou, der Sie auf mich lenkte. Oder nicht?“
„Ja. Der herrliche Mann wurde uns geradezu von Gott gesandt. Er errettete uns aus tiefer Not, und nur den Mitteln, mit denen er uns unterstützte, haben wir es zu verdanken, daß wir die Konzerttournee, auf welcher wir uns jetzt befinden, beginnen konnten.“
„Darf ich wissen, wie das geschäftliche Ergebnis ausgefallen ist?“
„Ausgezeichnet! Wo wir zum erstenmal auftreten, werden wir mit sichtbarem Zweifel empfangen; stets aber sind wir dann stürmisch aufgefordert worden, dem ersten Konzert mehrere folgen zu lassen. So war es auch hier.“
„Und wohin reisen Sie nun?“
„Wir gehen nach Santa Fé und dann nach dem Osten.“
„Ah! Sie sind mit Ihren bisherigen Erfolgen nicht zufrieden? Sie wollen Millionärin werden!“
Sie senkte die Augen, und
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