4 - Wächter der Ewigkeit
Luft.
Die Federn verwandelten sich in eine Schar übergroßer Spatzen mit kupfern glänzenden Schnäbeln. Es waren zwei oder drei Dutzend, die auf mich zuflogen und dabei manövrierten wie hypermoderne Sprengköpfe, dieser Stolz eines jeden Generals in einer Raketentruppe.
Der Hühnergott um meinen Hals zersprang und flog von der Kette. Sofort schossen die kupferschnäbligen Spatzen in der Luft hin und her. Edgar wollten sie sich nicht nähern – über mich konnten sie jedoch nicht mehr herfallen. So irrlichterten sie in der Luft, bis Edgar fluchend mit der Hand fuchtelte und sie zum Verschwinden brachte.
Afandi schoss seinen Zauber jetzt ebenfalls ab, der Edgars Schutz anscheinend durchbrach. Was dem Magier freilich gar nichts ausmachte. Nach wie vor zog er sich zurück, gelegentlich einen Gegenschlag wagend. Auf seiner Brust glomm etwas stärker und stärker auf: Ein unter seiner Kleidung verborgenes Amulett war angesprungen und nunmehr einsatzbereit. Kurz fragte ich mich, ob Edgar sich mit einem Selbstmordzauber ausgerüstet hatte, beispielsweise dem Schahid oder dem Gastello, der uns mit ihm ins Grab gerissen hätte.
»Verstärk die Schilde!«, befahl ich, worauf Alischer das Letzte gab, um die Schilde um uns und um Afandi aufzuladen.
Edgar hatte für Selbstmordeinlagen jedoch augenscheinlich nichts übrig. Nach einer weiteren kurzen Attacke presste er die Hände auf die Brust, auf das leuchtende Amulett. Um ihn herum loderten die blauen Umrisse eines Portals auf. Der Magier trat rasch nach vorn – und verschwand.
»Der hat den Schwanz eingezogen«, konstatierte Alischer. Er ließ sich auf die Steine plumpsen – und sprang sofort wieder auf. Seine Hosen rauchten. Der Kuss des Ameisenigels wirkte noch.
Ich stand völlig ausgelaugt da. Neben mir lachte Afandi spöttisch los.
»Womit hast … du ihn … ?«, fragte ich.
»Die nächsten siebenundsiebzig Male wird er einen peinlichen Reinfall erleben, wenn er einer Frau beiliegt!«, erklärte Afandi triumphierend. »Und niemand kann diesen Zauber aufheben.«
»Sehr scharfsinnig«, bemerkte ich. »Und sehr orientalisch.«
Mit einigen raschen Zaubern säuberte ich die Erde von den Spuren der Magie. Die Säuretropfen ließen die Steine wie einen aufgehenden Hefeteig Blasen werfen.
Sauschkin!
Also doch Sauschkin!
Epilog
Geser meldete sich nicht sofort. Ehrlich gesagt, ließ er sich damit drei Minuten Zeit.
»Anton, könntest du nicht …«
»Nein«, fiel ich ihm ins Wort.
Allmählich zog der neue Tag herauf. Die ungewohnten großen Sterne des Südens verloschen. Ich nahm einen weiteren Schluck Cola aus der Flasche.
»Vielen Dank für die Amulette«, fuhr ich dann fort. »Sie haben perfekt gepasst. Aber jetzt hol uns hier raus. Sollte noch ein Psychopath aufkreuzen …«
»Anton.« Gesers Stimme klang jetzt sanfter. »Was ist passiert?«
»Wir hatten ein heißes Gespräch mit Edgar.«
Geser hüllte sich in Schweigen. »Lebt er noch?«, fragte er nach einer Weile.
»Ja. Er ist durch ein Portal verschwunden. Zuvor hat er allerdings ziemlich lange versucht, uns das Licht auszublasen.«
»Ist unser Freund, der Herr Inquisitor, verrückt geworden?«
»Schon möglich.«
Geser summte etwas vor sich hin – und schlagartig ging mir auf, worüber der Chef nachdachte: Wie er diese Information in einem Gespräch mit Sebulon am besten verwerten konnte. Wie er den Dunklen mit dem Bericht über seinen einstigen Schützling am besten demütigen konnte.
»Wir sind sehr müde, Geser.«
»Ein Hubschrauber kommt euch abholen«, versicherte Geser. »Ein Portal aufzuhängen wäre ausgesprochen schwierig. Wartet noch ein bisschen, ich setze mich mit Taschkent in Verbindung. Seid ihr bei … Rustam?«
»Wir sind auf dem Plateau, wo ihr die Dunklen mit dem Weißen Höhenrauch geschlagen habt.«
So oft bekam ich nicht die Gelegenheit, Geser in Verlegenheit zu bringen, als dass ich mir diese Chance jetzt entgehen lassen konnte.
»Der Hubschrauber wird bald da sein«, meinte Geser nach kurzem Zögern. »Hast du mit Rustam gesprochen?«
»Ja.«
»Hat er dir geantwortet?«
»Ja. Aber nicht auf alle Fragen.«
»Gut.« Geser seufzte erleichtert. »Wenigstens etwas … Musstest du ihm … hm … zureden?«
»Nein. Alle vier Armreife habe ich auf Edgar gefeuert.«
»Ach ja?« Geser wurde mit jedem Wort von mir ausgelassener. »Und was hast du erfahren?«
»Den Namen des Vampirs, mit dem Edgar sich verbündet hat.«
»Und?«, fragte Geser nach kurzem Schweigen.
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