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4 - Wächter der Ewigkeit

4 - Wächter der Ewigkeit

Titel: 4 - Wächter der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Fenster, über das Dach des Gebäudes und in die Nachbargassen. Ein kurzer Schlaf würde den Menschen nicht schaden. Der Morpheus ist ein sanfter Zauber, einem Menschen bleiben fünf Sekunden, bevor er endgültig ausgeknockt wird. Wer steht, kann sich noch setzen, Mütter, die Kinder im Arm halten, legen diese hin, Autofahrer drosseln die Geschwindigkeit. Es würde keine Opfer geben. Vermutlich nicht.
    Stille.
    Hatte ich ihn getroffen?
    Ich stand auf und schaute abermals durchs Zwielicht. Okay, wer auch immer du sein magst, wenn du jetzt eingeschlafen bist, ist deine Maskierung dahin …
    Ein Knall. Ein kaum wahrnehmbarer Blitz in der Gasse. Dann traf meine arme rechte Schulter eine zweite Kugel! An derselben Stelle.
    Sicher, ich könnte mich mit dem Gedanken trösten, dass ich dort ohnehin schon verwundet war. Aber es tat weh! Warum tat es nur so weh, wenn da schon ein Loch klaffte?!
    Ich hockte mich so hin, dass mich der Brunnen gegen den Schützen abschirmte. Jetzt konnte es keine Zweifel mehr geben, da ballerte jemand tatsächlich aus dieser Gasse auf mich.
    Was sollte ich tun? Fireballs in die Dunkelheit schießen? In der Hoffnung, den maskierten Schützen wenigstens damit zu treffen? Alles um mich herum mit dem Weißen Höhenrauch versengen? Mir den Schild des Magiers umhängen und in den offenen Kampf ziehen? Aber wenn ich den Feind nicht sah, dann stand mir ein Magier gegenüber, dessen Kraft meine überstieg!
    Oder sollte ich Hilfe rufen? Die Polizei? Geser und Foma?
    Stopp.
    Auf Geser und Foma konnte ich eventuell verzichten.
    Was hatte Sebulon gesagt? Verbindung, Hilfe, Rat?
    Hilfe könnte ich jetzt gebrauchen.
    Ich holte die Figur aus der Tasche und stellte sie auf das Kopfsteinpflaster. Um sie ganz sanft mit meiner Kraft zu streifen. »Ich! Brauche! Hilfe!«, schrie ich.
    Alles geschah in Sekundenschnelle. Die Luft peitschte mir so stark ins Gesicht, dass ich im ersten Moment glaubte, der unbekannte Schütze werfe jetzt mit Granaten. Dabei transformierte sich nur die Figur, blähte sich, fiel zusammen, verwandelte sich in einen schwarzen zottigen Schatten. In der Dunkelheit blitzten weiße Zähne auf, funkelten gelbe Wolfsaugen. Mit einem Satz sprang der Tiermensch über den Brunnen hinweg. Um sich dann gleich nach rechts zu stürzen. Ein Schuss knallte, ging aber offenbar ins Leere. Der Wolf sprang von links nach rechts, so geschickt, wie es nur ein Wesen vermag, auf das man schon mit Schusswaffen Jagd gemacht hat, und hetzte in die Gasse. Ich hörte ein Brüllen, dann fiel etwas, schepperte metallen. Nach wie vor knallten Schüsse, gleichmäßig in einem Abstand von ein, zwei Sekunden, doch etwas sagte mir: Die Kugeln gingen ins Leere, der Schütze bedeutete keine Gefahr mehr.
    Ich sprang auf, rannte dem Wolf hinterher, schützte mich dabei aber für alle Fälle mit dem Schild. Schließlich kam ich sogar darauf das zu tun, was von Anfang an nicht schlecht gewesen wäre: Licht zu schaffen. Das war ein absolut simpler Zauber, den jeder Lichte Magier beherrschte. Ich rief die Urkraft an – und über mir wogte in der Luft ein grellweißes Feuer.
    Sofort sah ich den, der mich beinahe getötet hatte. Den, der im Zwielicht nicht auszumachen war.
    Ein metallischer Dreifuß, der an ein Profistativ für Videokameras erinnerte. Auf dem Dreifuß thronte auf einer Drehscheibe ein Zylinder mit funkelnden Linsen. Auf dem Zylinder war in einer stoßgedämpften Halterung ein kurzes Gewehr mit runder Trommel (wie die Schpagin aus alten Sowjetzeiten) und langem geriffelten Schalldämpfer auf dem Lauf befestigt. Ein stahlverkleidetes Kabel lief zum Abzug und mündete in eine Klammer, die um diesen geschlungen war.
    Der Roboter funktionierte noch. Mit leisem Surren der Motoren bewegte sich der Zylinder, die Klammer spannte sich um den Abzug – und das in den Himmel gerichtete Gewehr schoss in die Luft. Als ich mich vorbeugte, bemerkte ich, dass mir Blut über die Schulter lief. Den Zylinder bediente eine sichere Hand … An einer Seite gab es eine winzige Klappe, auf der in chinesischen Schriftzeichen etwas eingraviert war: »Schütze I«. Weiter folgte die Nummer: 285590607. Unter den Hieroglyphen war mit wenigen Strichen ein lächelndes rundes Kindergesicht gezeichnet.
    Diese Spaßvögel …
    Ich fuhr mit dem Fingernagel unter die Klappe, öffnete sie und legte den Schalter auf »Aus« um.
    Schütze I schnurrte leise mit den Servomotoren auf, bevor er verstummte.
    »Ein Gruß aus dem Reich der Mitte«, kommentierte ich

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