4 - Wächter der Ewigkeit
diesem Jungen vor Merlin verstecken? Er ist doch noch ein Kind!«
»Sehr schön!« Lermont hob jetzt ebenfalls die Stimme. »Du bringst höchst überzeugende Argumente vor! Jetzt lege ich dir mal die persönlichen Angaben zu allen potenziellen Spiegelmagiern vor. Nennst du mir dann einen? Wählst du einen alternativen Kandidaten? Wir hätten da ein neunjähriges Mädchen, einen fünfzehnjährigen Jungen, einen jungen Ehemann und Vater, eine schwangere Frau … niemals werden sie sich diesen unbestimmten Zustand bis ins Alter bewahren können, früher oder später müssen sie zwischen Licht und Dunkel wählen! Sie alle sind noch jung, fast noch Kinder! Triffst du eine Auswahl? Nimmst du mir diese Gemeinheit ab?«
»Ja!«, schrie ich und sprang auf. »Ja, das tue ich. Ich nehme dir das ab! Zeig mir deine Dossiers, Herr Foma Lermont!«
»Sofort!« Er hatte sich ebenfalls erhoben. »Wähl nur, wähl!«
Wir standen da, blickten einander böse in die Augen. Und erfassten nicht auf Anhieb, dass uns beiden Tränen übers Gesicht liefen.
Sechs
Keine Ahnung, ob Lermont die Dossiers tatsächlich angeschleppt hätte oder nicht. Noch viel weniger wüsste ich zu sagen, was ich in dem Fall getan hätte. Vermutlich wohl doch einen anderen Kandidaten für die Rolle des Spiegelmagiers gewählt.
Doch dazu sollte es nicht kommen.
Zunächst bemerkte ich, wie Lermont die Gesichtszüge entglitten. Er blickte an mir vorbei, auf die Straße.
Dann hörte ich, wie ein Motor aufheulte, und drehte mich um.
Ein kleiner weißer Transporter schoss die Straße entlang, wendete plötzlich und durchbrach ohne Weiteres den symbolischen Holzzaun, der Lermonts Cottage säumte. Mit wildem Geheul der Reifen, unter denen Erde und Schotter aufspritzten, bremste er.
Die hinteren Türen des Kastenwagens waren vorab herausgenommen worden. Zwei Menschen sprangen heraus, ein dritter, der im Transporter sitzen blieb, eröffnete das Feuer aus einem auf einen Drehkranz montierten Maschinengewehr.
Foma reagierter als Erster. Er stellte einen Schild auf, sobald das Auto in seinen Garten raste. Oder stellte er ihn gar nicht auf? Handelte es sich womöglich um einen Sicherheitszauber, der für einen solchen Überfall bereits vor langer Zeit gewirkt worden war?
Das Maschinengewehr krachte, das Geräusch hallte im Laderaum des Wagens wider und wurde zu uns herübergetragen. Als würde es mit einem riesigen Blechmegafon verstärkt. Zusammen mit diesem Geräusch hagelte es Blei. Doch die Kugeln erreichten uns nicht: Sanft kamen sie zum Stehen, hingen einen Moment – als handle es sich hier um einen Spezialeffekt in einem Film – reglos in der Luft und fielen dann zu Boden.
Die beiden Männer, die herausgesprungen waren, trugen dunkle Masken, gingen hinter dem Transporter in Deckung und eröffneten aus Maschinenpistolen das Feuer. In dem Fahrerhäuschen zeigte sich niemand.
Wer waren die? Idioten?
Semjon fuchtelte mehrmals mit einer Hand. Ich konnte den harmlosen Zauber Morpheus ausmachen, der den Angreifern noch ein paar Sekunden ließ, in denen sie ihr Kriegsspielchen fortsetzen konnten, und den sofort wirkenden Opium. Die Zauber versagten jedoch, der Beschuss ging weiter, die Kugeln mussten nach wie vor in der Luft zwischen uns abgefangen werden. Ich sah genauer hin: Nein, das waren keine Anderen. Sondern gewöhnliche Menschen. Bei jedem schimmerte allerdings der Funken eines Schutzamuletts auf der Brust.
»Bring sie aber nicht um!«, schrie Foma, als ich den Arm hob.
Zum sofortigen Einsatz war ich nur mit zwei Dreifachschneiden ausgestattet, denn ich hätte nie damit gerechnet, so in die Bredouille zu geraten. Indem ich auf das MG zielte, schleuderte ich beide Schneiden. Der erste Schuss ging daneben, der zweite traf – und verwandelte die Waffe in einen Haufen klein geraspelten Metalls. Das Krachen nahm ein wenig ab, jetzt schossen sie nur noch aus den Maschinenpistolen, allerdings so unsicher, als seien sie auf eine unsichtbare Barriere gestoßen. Gut. Jeder Schutz hat seine Grenzen, und unter dem Beschuss des Maschinengewehrs wäre unserer bald zusammengebrochen.
Uns überfielen Menschen! Normale Menschen, wenn auch mit Schutzamuletten ausgestattet. Nicht nur, dass es dergleichen noch nie gegeben hatte, es war auch dumm. Es ist eine Sache, einen Magier aus einem Hinterhalt zu beschießen, noch dazu mit einer ferngesteuerten Waffe. Aber so: Auge in Auge, drei Schützen gegen drei Magier … Worauf hofften sie?
Nur darauf, unsere Aufmerksamkeit
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