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4 - Wächter der Ewigkeit

4 - Wächter der Ewigkeit

Titel: 4 - Wächter der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Stunde, um dich hinzubringen. Du hast noch rund zwei Stunden. Iss etwas, dann packen wir. Wie lange bleibst du weg?«
    »Keine Ahnung.«
    »Und wie viel Unterwäsche und Socken soll ich dir dann einpacken?«, fragte Swetlana praktisch denkend zurück. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass du unterwegs etwas wäschst.«
    »Ich kaufe was Neues und schmeiß/ das Alte weg. Geser hat versprochen, mir einen Haufen Geld mitzugeben.«
    »Bleibt die Frage, was er für einen Haufen hält«, hielt Swetlana zweifelnd dagegen. »Ich packe dir fünf Mal Unterwäsche ein. Setz dich an den Tisch, ich tu dir Suppe auf.«
    »Papa!«, rief Nadja aus dem Wohnzimmer.
    »Was ist, meine Kleine?«, erwiderte ich.
    »Papa, wird Onkel Afandi mir Perlen schenken?«
    Swetlana und ich guckten einander an – und liefen rasch ins Wohnzimmer. Nach wie vor sah sich unsere Tochter Zeichentrickfilme an. Gerade hatte sich auf dem Bildschirm eine Gesellschaft bunter Tiere um ein Lagerfeuer versammelt.
    »Was für ein Onkel, Nadenka?«
    »Onkel Afandi«, antwortete Nadja, ohne den Blick vom Bildschirm zu lösen.
    »Was für ein Afandi?«, wiederholte Sweta geduldig.
    »Was für Perlen?«, hakte ich nach.
    »Der Onkel, zu dem Papa fährt«, verkündete Nadja im Ton Was seid ihr Erwachsenen doch dumm! »Und die Perlen sind blau. Und schön.«
    »Woher weißt du, zu wem Papa fährt?«, fuhr Swetlana mit dem Verhör fort.
    »Ihr habt doch gerade darüber geredet«, meinte Nadja ungerührt.
    »Wir haben nicht darüber geredet«, widersprach ich. »Wir haben darüber geredet, dass ich auf Geschäftsreise nach Usbekistan fahre. Das ist ein schönes Land im Orient, in dem Onkel Geser früher einmal gelebt hat. Erinnerst du dich noch an Onkel Geser? Aber einen Afandi haben wir nicht erwähnt.«
    »Dann habe ich mich wohl verhört«, räumte Nadja ein. »Dann gibt es einen solchen Onkel eben nicht.«
    Swetlana schüttelte den Kopf und sah mich tadelnd an. Ich breitete die Arme aus – ja, ich bekenne meine Schuld, ja, ich habe alles verdorben. Mama hätte bei der Befragung viel mehr erfahren.
    »Aber die Perlen gibt es trotzdem«, meinte Nadja völlig zusammenhangslos. »Bringst du mir welche mit, ja?«
    Sie weiter nach Onkel Afandi zu fragen hatte keinen Sinn. Nadja hatte mit drei, vielleicht sogar schon mit zwei Jahren zufällig entdeckt, dass sie in die Zukunft blicken konnte. Ihre Prophezeiungen erfolgten jedoch ganz unbewusst, und man musste sie nur fragen: »Woher weißt du das?«, dann kapselte sich das Mädchen sofort ein.
    »Meine Schuld«, gab ich meiner Reue Ausdruck. »Entschuldige, Sweta.«
    Wir gingen in die Küche zurück. Schweigend tat Swetlana Suppe auf, schnitt Brot und legte mir einen Löffel hin. Manchmal hatte ich den Eindruck, sie spiele die Rolle einer gewöhnlichen Hausfrau bewusst ironisch. Dabei war das ihre Entscheidung gewesen. Geser wäre entzückt, wenn sie in die Wache zurückkehrte.
    »Rustam hat viele Namen … Hat Geser sich nicht so ausgedrückt?«, fragte Swetlana nachdenklich.
    »Hm«, brachte ich hervor, während ich die Suppe schlürfte.
    »Vielleicht heißt er jetzt Afandi.«
    »Möglich ist alles.« Ich wollte mich im Grunde nicht allzu sehr daran klammern, durfte in meiner gegenwärtigen Lage aber auch nicht den geringsten Hinweis außer Acht lassen. »Ich werde mich erkundigen.«
    »Gut, dass Alischer mit dir fährt«, bemerkte Swetlana. »Über-lass ihm die Fragen. Im Orient muss man taktvoll sein.«
    »Ein ganz neuer Aspekt …«, blaffte ich gallig. »Entschuldige, aber heute musste ich mir schon die ganze Zeit kluge Gedanken über den Orient anhören. Die Flüsse der Beredtsamkeit haben den See meiner Aufmerksamkeit bereits über die Ufer treten lassen, o Rahat-Lokum meines Herzens!«
    »Bring mir auch Rahat und Lokum mit, Papa!«, ließ sich meine Tochter prompt vernehmen. Mit Alischer hatte ich im Dienst nur selten zu tun. Er zog die Arbeit »auf freier Wildbahn« vor, ließ keine Patrouille aus und tauchte in der Regel erst morgens mit vor Übermüdung roten Augen im Büro auf. Irgendwo hatte ich aufgeschnappt, er habe eine Affäre mit einer Frau aus der Buchhaltung, einer Anderen siebten Grades. Insgesamt wusste ich jedoch kaum etwas über ihn. Er war ein von Natur aus verschlossener Junge, und ich fange nicht gern von mir aus eine Freundschaft an.
    Zu Semjon hatte er offenbar ein besseres Verhältnis. Als ich nach unten kam und ins Auto stieg, erzählte Semjon gerade einen Witz zu Ende. Ich nahm neben ihm

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