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4 - Wächter der Ewigkeit

4 - Wächter der Ewigkeit

Titel: 4 - Wächter der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Mensch sein durfte. Und natürlich dafür, dass er, der Narr, eine Familie hatte und einen Sohn bekam. Er hat immer befürchtet, ich könnte zum Idioten heranwachsen. Doch das war nicht der Fall. Nur … nur dass sich das Volk bei uns an alles erinnert. Daran, dass mein Vater ein Devona war, dass er zu lange gelebt hat, dass er einst völlig dumm war und sich nicht einmal selbst die Nase putzen konnte – an alles erinnern sich die Leute. Meine Mutter wurde von ihren Verwandten verstoßen, als sie meinen Vater heiratete. Mich haben sie auch nicht akzeptiert. Den Kindern hat man verboten, mit mir zu spielen. Denn ich war der Sohn eines Devonas. Der Sohn eines Menschen, der das Leben eines Tiers leben sollte. Es gibt nichts, wohin ich zurückkehren könnte. Mein Zuhause ist jetzt hier. Meine Arbeit besteht darin, zu tun, was Geser mir befiehlt.«
    »Was für eine Geschichte …«, meinte Semjon leise. »Hart geht es bei euch zu … hart. Ich weiß noch, wie wir die Basmatschen gejagt haben …« Er verstummte und sah Alischer entschuldigend an. »Es ist doch nicht schlimm, wenn ich sie so nenne?«
    »Was sollte daran schlimm sein?«, antwortete Alischer mit einer Gegenfrage.
    »Na ja, vielleicht heißen diese Konterrevolutionäre ja heute bei euch nicht Basmatschen, sondern werden als Volkshelden bezeichnet …«
    »Als Geser Kommissar in Turkestan war, hat mein Vater in seiner Einheit gekämpft«, erklärte Alischer stolz.
    »Was heißt das, gekämpft«, fragte Semjon aufgeregt. »In welchem Jahr war das?«
    »Anfang der Zwanziger.«
    »Nein, ich rede von einer späteren Zeit … In Garm, 1929, als die Basmatschen über die Grenze gestürmt kamen …«
    Lebhaft diskutierten sie die Ereignisse längst vergangener Tage. Soweit ich es verstand, wären Alischers Vater und Semjon sich beinah über den Weg gelaufen, denn beide kämpften zusammen mit Geser, als der sich dem Militärdienst in der Roten Armee zugewandt hatte. Ehrlich gesagt, konnte ich mir nicht ganz vorstellen, was Geser da im Bürgerkrieg gemacht hatte. Ein Hoher Lichter kann schließlich nicht mit Fireballs auf Weißgardisten und Basmatschen schießen! Aber anscheinend standen nicht alle Anderen der Revolution gleichmütig gegenüber. Manch einer hat sich wohl doch einer der beiden Seiten zugeschlagen. Und im Kampf gegen Konterrevolutionäre durchkämmten der Große Geser und Genossen die asiatischen Steppen und Weiten.
    Außerdem – so schoss es mir durch den Kopf – begann ich wohl zu ahnen, weshalb Geser und Rustam sich zerstritten hatten.

Zwei
    Genauso soll es sein: Man muss morgens in einer fremden Stadt ankommen. Im Zug, mit dem Flugzeug – egal. Um einen noch jungen, unschuldigen Tag zu begrüßen …
    Im Flugzeug war Alischer wieder wortkarg und nachdenklich geworden. Ich selbst döste fast die ganze Zeit über, während Alischer schweigend zum Fenster hinausblickte, als fände sich dort, auf der fernen, in Nacht getauchten Erde etwas Interessantes. Als wir in den Morgen hineinflogen und das Flugzeug langsam tiefer ging, fragte er mich noch vor der Landung: »Du hast doch nichts dagegen, Anton, wenn wir uns vorübergehend trennen?«
    Neugierig blickte ich den jungen Magier an. Gesers Instruktionen sahen dergleichen nicht vor. Von seinen Freunden und Verwandten – genauer von deren Nichtexistenz – hatte Alischer bereits ausführlich berichtet.
    Freilich war nicht schwer zu erraten, was der junge Mann, der mit gut zwanzig seine Heimat verlassen hatte, beabsichtigte.
    »Wie heißt sie denn?«, fragte ich.
    »Adolat«, erwiderte er ohne herumzudrucksen. »Ich möchte sie gern sehen. Um zu erfahren, was aus ihr geworden ist.«
    Ich nickte. »Bedeutet dieser Name etwas?«, erkundigte ich mich.
    »Alle Namen bedeuten etwas. Hast du Geser etwa nicht gebeten, dich mit usbekischen Sprachkenntnissen auszustatten?«, wunderte sich Alischer.
    »Er hat es mir nicht vorgeschlagen«, nuschelte ich. Aber warum hatte ich eigentlich nicht selbst daran gedacht? Und wie konnte Geser ein solcher Lapsus unterlaufen? Die großen Weltsprachen müssen wir Anderen alle lernen, wenn auch mithilfe von Magie. Seltene Sprachen kann ein stärkerer oder erfahrener Magier in deinem Gedächtnis abspeichern. Geser hätte es tun können. Alischer nicht …
    »Also hat er geglaubt, du brauchtest das nicht«, meinte Alischer nachdenklich. »Interessant …«
    Offenbar vermochte Alischer sich nicht vorzustellen, dass Geser einen Fehler gemacht hatte.
    »Brauche ich denn

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