40 - Im fernen Westen
das gehört nicht hierher und wird dir auch gleichgültig sein. Nach einem alten Familienübereinkommen bin ich nun gezwungen, die Baronesse von Chlowicki zu heiraten, wenn ich in den Besitz ihres Vermögens kommen will. Da mir aber an dieser Verbindung außerordentlich wenig gelegen ist, so habe ich schon längst, aber freilich vergebens, nach einem Mittel gesucht, in den Besitz dieses Vermögens zu kommen, ohne die mir unangenehme Person des Mädchens mit dreinnehmen zu müssen.“
„Du verrätst einen über alle Maßen schlechten Geschmack! Tausende würden sie auch ohne ihr Geld nehmen.“
„Ich habe natürlich sehr triftige Gründe, mich in dieser Angelegenheit nicht von einem schönen Gesichtchen beeinflussen zu lassen. Kurz und gut, mein Nachdenken ist vergebens gewesen, und der einzige kleine Versuch, den ich in dieser Beziehung unternahm, hatte unglücklicherweise keinen Erfolg.“
„Wenn du schon einen Versuch gemacht hast, so mußt du dir doch über den einzuschlagenden Weg klar sein.“
„Gewiß. Es gibt eine Bestimmung, nach welcher der Überlebende von uns beiden in das vollständige Erbe des Verstorbenen tritt.“
„Ah“, dehnte der andere. „Und der Versuch, von welchem du sprachst?“
„Gehört nicht hierher. Du kennst jetzt den Weg, welchen ich einzuschlagen habe. Willst du mir behilflich sein?“
„Für fünfundzwanzigtausend? Wenig genug im Verhältnis zu dem, was du gewinnst. Doch mag es sein; aber unter der Bedingung, daß du sofort bar zahlst.“
„Und du dann verschwindest und dich nicht wieder sehen läßt?“
„Zugestanden! Erkläre dich nun weiter.“
„Rücke näher; man kann nicht vorsichtig genug sein, wenn es sich um solche Dinge handelt.“
Das Gespräch wurde in einem so leisen Ton fortgesetzt, daß es Winter nicht möglich war, etwas Weiteres zu vernehmen, und nur, als sich die beiden nach beendigter Unterredung erhoben, hörte er die letzten, verabschiedenden Worte:
„Also ich kann mich auf dich verlassen?“
„Fest und sicher.“
„Gut. Die Polin ist mit ihrer Mutter in den Konzertgarten gegangen. Ich werde sie aufsuchen, um die ersten, einleitenden Schritte zu tun. Leb wohl für jetzt!“
„Leb wohl und mache deine Sache gut!“
„Habe keine Sorge! Ich kenne sie zu gut, um nicht zu wissen, daß sie sofort anbeißen wird.“
„Wenn du deiner Sache so gewiß bist, so wirst du es mir wohl nicht verdenken, daß ich der meinigen auch gern sicher sein möchte. Dort hast du das Schreibgerät; bitte, bringe unser Übereinkommen zu Papier.“
„Zu Papier? Du bist wohl nicht bei Sinnen?“
„Gerade weil ich sehr bei Sinnen bin, spreche ich diesen Wunsch aus. Es gibt der Fälle, in denen ich meine Dienste für nichts geleistet habe, zu viele, als daß ich nicht gelernt hätte, vorsichtig zu sein. Ein schriftliches Zugeständnis von deiner Hand, welches in klaren Worten Arbeit und Lohn feststellt, wird uns beiden Sicherheit gewähren; ohne ein solches nehme ich mein Wort zurück.“
„Du bedenkst nicht, daß dein Verlangen uns in die größte Gefahr bringen kann.“
„Nur in dem Fall, daß du dein Wort nicht hältst. Also schreibe.“
„Ich tue es nicht; du handelst unüberlegt.“
„Und du unehrlich.“
„Von dir will ich dieses Wort leiden.“
„Von anderen nicht? Vielleicht kommst du doch einmal in die Lage, es ruhig anhören zu müssen.“
„Du drohst schon wieder?“
„Nein, aber du hast mich zu tief in deine Karten sehen lassen, um jetzt zurücktreten zu können. Doch will ich dich nicht drängen. Überlege dir meinen Wunsch und gib mir morgen Antwort.“
Mit diesen Worten entfernte sich der Sprecher, in welchem Winter durch die geöffnete Luke den Professor erkannte. Was Winter gehört, erfüllte ihn mit der ernstesten Besorgnis, und diese Besorgnis war desto größer, je unklarer er über dasjenige geblieben war, was die beiden Menschen vorhatten.
Es galt jetzt, so schleunigst wie möglich das Konzert zu besuchen, um Zeuge der erwähnten einleitenden Schritte zu sein und aus ihnen auf das Vorhaben zu schließen. Er eilte deshalb nach Hause und befand sich, wie wir gesehen haben, noch vor dem Baron in dem Garten, wo er glücklicherweise an die Seite Wandas gerufen wurde und also die beste Gelegenheit hatte, Säumen zu beobachten.
Freilich führte diese Beobachtung zu keinem Resultat. Der Eifer, mit welchem die Polin auf die geführte Unterhaltung einging, erlaubte dem Baron nicht, die beabsichtigte Angelegenheit zur Sprache zu
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