40 - Im fernen Westen
und unbeweglich stand ihre der Männerkleidung jedenfalls nicht ungewohnte Gestalt, und kein Zug ihres jetzt tiefgebräunten Angesichts verriet auch nur die leiseste freundliche Regung über mein Kommen.
„Wenn es nicht möglich wäre, würdet Ihr mich nicht hier treffen, Sir. Aber die Berechtigung zur Frage ist wohl mehr an mir als an Euch. Welche Ursache gab Euch die Erlaubnis, Euren Weg in unser Lager zu nehmen?“
Wie ein Strom eiskalten Wassers auf einen erhitzten Körper, so wirkten diese Worte auf mein Entzücken, das wunderbare Mädchen wiederzusehen, und kälter und gemessener als sie erwiderte ich nur das eine Wort:
„Pshaw!“ (Pah) und glitt, ihr den Rücken wendend, vorsichtigen Fußes wieder hinab.
Ich hatte in der Überraschung die reinsten und heiligsten Gefühle meines Herzens bloßgegeben und eine Demütigung erlitten, die mich tiefer traf, als es der Pfeil eines Indianers tun konnte, und die Bitterkeit, welche ich jetzt empfand, war eine ganz andere als diejenige, welche ich gefühlt hatte, als sie mich an jenem Abend so energisch von sich wies.
Es war also doch so, wie ich vermutet hatte, daß sie die Tochter Old Firehands sei, und nun war mir auch das andere so ziemlich klar. Nie hatte ich es für möglich gehalten, daß ein Weib, ein so zartes und schönes Wesen wie sie, die den Genüssen und Ansprüchen des zivilisierten Lebens ganz gewiß nicht fremd geblieben war, dieses Leben mit den Gefahren und Entbehrungen der Wildnis vertauschen könne. Daß es doch so geschehen war, mußte ganz besondere Gründe haben, und es schien mir nicht schwer, aus den einzelnen Mitteilungen, die mir gemacht worden waren, das Ganze zusammenzusetzen.
Schwieriger aber konnte ich die so deutlich gezeigte Abneigung begreifen, welche sie mir, ganz entgegengesetzt den ersten Augenblicken unserer Bekanntschaft, später an den Tag gelegt hatte. Die Behauptung Old Firehands, daß sie mich für feig gehalten habe, stimmte allerdings vollständig mit ihrer eigenen damaligen Äußerung überein; aber es war mir absolut unmöglich, zu sagen, worin diese Feigheit denn eigentlich bestanden habe. Ein besserer Menschenkenner, als ich damals war, würde die Motive ihres Verhaltens ohne Zweifel an einem ganz anderen Ort gesucht haben; doch ich war mit den Unwägbarkeiten eines Frauenherzens zu wenig bekannt, als daß ich das Richtige hätte treffen können. –
Es war Abend geworden. In der Mitte des weiten Talkessels brannte ein hoch emporzüngelndes Feuer, um welches sämtliche anwesende Bewohner des Lagers sich versammelt hatten. Ellen, welche, wie ich bald bemerkte, den Männern in jeder Beziehung gleichberechtigt war, hatte mitten unter den Jägern Platz genommen; doch dünkte es mich, daß sie von der Erzählung all der Abenteuer, welche in rascher Folge vorgetragen wurden, wenig berührt werde. Träumerisch suchten ihre Augen das Weite, und wenn sie zurückkehrten, so ruhte ihr Blick mit einem eigentümlichen Ausdruck auf meinem Angesicht, so daß auch mein Auge immer wieder zu ihr hinübergezogen wurde.
Auch ich hörte nur mit halben Ohr auf die Worte der Erzählenden. Ich konnte die Empfindung nicht los werden, als sei ich der Held eines jener phantastischen Märchen, welche ihre Gestalten der Einbildungskraft des Dichters entnehmen und grad desto interessanter sind, je unmöglicher die Ereignisse genannt werden müssen, welche sie erzählen. Wie eine der verzauberten Prinzessinnen, welche, verfolgt von dem Fluch einer bösen Fee, herabsteigen mußten von blinkender Höhe, um in unscheinbarer Gestalt des Erretters zu warten, lag sie vor mir, und ich fühlte in diesem Augenblick, daß ich für sie zu jeder Anstrengung, zu allem, allem fähig sei, was ein Mann nur zu tun vermag für das Weib, dem jeder Pulsschlag seines Herzens gewidmet ist.
Aber was half mir diese Liebe einem Wesen gegenüber, welches eine so in die Augen fallende Abneigung für mich an den Tag legte? Ich stand auf und schritt in das Dunkel hinaus, über welches sich der klare, sternenvolle Himmel ausbreitete.
Ein leises, freudiges Wiehern am Saum des Gebüschs, welches den Bach berandete, rief mich zu Swallow, welcher mich erkannt hatte und nun den Kopf zärtlich an meiner Schulter rieb. Er war mir doppelt lieb geworden, seit er sie durch Glut und Feuer getragen, und liebkosend drückte ich meine Wange an seinen schlanken, weichen Hals.
Ein kurzes Schnaufen seiner Nüstern, welches mir als Warnungszeichen bekannt war, ließ mich zur Seite
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