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40 - Im fernen Westen

40 - Im fernen Westen

Titel: 40 - Im fernen Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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aber hat er auch gesprochen von Old Firehand, der seine Seele besitzt, und von dem Weib, dessen Andenken nicht gestorben ist in seinem Herzen?“
    „Winnetou hat sie geliebt, und die Liebe wohnt nicht in seinem Mund.“
    „Nun weiß wohl auch der Apache, warum sein Bruder nicht gesprochen hat von der Jungfrau, welche er genannt hat die Blume der Savanne!“
    „Hat er ihr geschenkt seine Liebe?“
    „Winnetou sagt es.“
    „Sie sind würdig, miteinander zu wohnen im Wigwam, und der Apache wird ihnen geben eine große Medizin, welche glücklich macht und ein Schutz ist gegen jede Gefahr und die Angriffe des bösen Geistes.“
    „Hat mein Bruder die Blume gesehen?“
    „Er hat sie getragen auf seinen Armen, er hat ihr gezeigt die Blumen des Feldes, die Bäume des Waldes, die Fische des Wassers und die Sterne des Himmels; er hat sie gelehrt, den Pfeil vom Bogen zu schießen und das wilde Roß zu besteigen; er hat ihr geschenkt die Sprachen der roten Männer und ihr zuletzt gegeben das Feuergewehr, dessen Kugel getötet hat Ribanna, die Tochter der Assineboins.“
    Erstaunt blickte ich ihn an. Es dämmerte eine Ahnung in mir auf, der ich kaum Worte zu geben wagte, und doch hätte ich es vielleicht getan, wenn nicht gerade jetzt Old Firehand zurückgekehrt wäre und unsere Aufmerksamkeit auf das Mahl gerichtet hätte. Aber während desselben mußte ich immerfort an die Worte Winnetous denken, aus denen in Verbindung mit dem, was Ellen mir gesagt hatte, fast hervorging, daß Old Firehand ihr Vater sei. Das Benehmen desselben bei meiner Erzählung am gestrigen Abend stimmte allerdings mit dieser Vermutung überein; aber er hatte von diesem Vater als von einem dritten gesprochen und nichts gesagt, was meine Vermutung zu einer festen Überzeugung machen konnte.
    Nach einigen Stunden der Ruhe brachen wir wieder auf. Als ob unsere Tiere wüßten, daß ein Ort mehrtägiger Erholung vor ihnen liege, trabten sie munter dahin, und wir hatten eine ziemliche Strecke zurückgelegt, als mit der hereinbrechenden Dämmerung der Höhenzug, hinter welchem das Tal des Mankizila liegt, uns so nahe getreten war, daß das Terrain sich zu erheben begann und wir uns durch eine Schlucht bewegten, welche, wie es schien, uns senkrecht auf den Lauf des Flusses führen mußte.
    „Halt!“ tönte es da plötzlich aus den zur Seite stehenden Cattonsträuchern hervor, und zu gleicher Zeit ward zwischen den Zweigen der Lauf einer auf uns gerichteten Büchse sichtbar.
    „Wie heißt das Wort?“
    „Tapfer!“
    „Und?“
    „Verschwiegen“, gab Old Firehand die Parole, indem er mit scharfem Blick das Gesträuch zu durchdringen suchte. Bei dem letzten Wort teilte sich dasselbe und ließ einen Mann hindurch, bei dessen Anblick ich mich eines leisen Lächelns nicht erwehren konnte.
    Unter der wehmütig herabhängenden Krempe eines Filzhutes, dessen Alter, Farbe und Gestalt selbst dem schärfsten Denker einiges Kopfzerbrechen verursacht haben würde, blickte zwischen einem Wald von verworrenen, schwarzgrauen Barthaaren eine Nase hervor, welche fast von erschreckenden Dimensionen war und jeder beliebigen Sonnenuhr als Schattenwerfer hätte dienen können. Infolge des gewaltigen Bartwuchses waren außer diesem so verschwenderisch ausgestatteten Riechorgan von den übrigen Gesichtsteilen nur die zwei kleinen, klugen Augen zu bemerken, welche mit einer außerordentlichen Beweglichkeit begabt zu sein schienen und mit einem Ausdruck von schalkhafter List von einem zum anderen von uns dreien sprangen.
    Diese Oberpartie ruhte auf einem Körper, welcher uns bis auf das Knie herab vollständig unsichtbar blieb und in einem alten, bockledernen Jagdrock stak, welcher augenscheinlich für eine bedeutend stärkere Person angefertigt worden war und dem kleinen Mann vor uns das Aussehen eines Kindes gab, welches sich zum Vergnügen einmal in den Schlafrock des Großvaters gesteckt hat. Aus dieser mehr als zulänglichen Umhüllung guckten zwei dürre, sichelkrumme Beine hervor, welche in ausgefransten Leggins staken, die so hochbetagt waren, daß sie das Männchen schon vor einem Jahrzehnt ausgewachsen haben mußte, und dabei einen umfassenden Blick auf ein Paar Indianerstiefel gestatteten, in welchen zur Not der Besitzer in voller Person hätte Platz finden können.
    In der Hand trug der Mann eine alte Rifle, die ich nur mit der äußersten Vorsicht angefaßt hätte, und als er sich so mit einer gewissen Würde auf uns zu bewegte, konnte ich mir keine größere

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