40 Stunden
motivierten Verbrechen. Es ist eine ziemlich neue Abteilung, und sie steht auf einer Stufe mit den Mordkommissionen.«
» Ihr befasst euch mit Terroranschlägen?« Der Kaffee war endlich durchgelaufen. Ira stand auf und holte die Glaskanne an den Tisch.
Faris nahm sie und goss ihnen beiden ein. » Nein. Dafür sind die Kollegen vom LKA 5 zuständig. Die SERV ermittelt bei allen Arten von religiös motivierten Verbrechen. Ehrenmorden. Drohungen gegen Abtreibungskliniken und so. Meine Kollegen und ich sind spezialisiert auf die Besonderheiten der großen Weltreligionen. Moralkodices und Ähnliches.«
» Dann bist du der Fachmann für den Islam.« Ira hatte sich in der Zwischenzeit selbst einen Toast gemacht und ihn aufgegessen. Sie war eine rasche und effiziente Esserin, eine Frau, die sich nicht damit aufhielt, Kalorien zu zählen.
» Ja«, antwortete er. » Wir haben Fachleute für christliche Fundamentalisten, für islamische, auch für jüdische. Du hast sie ja bereits kennengelernt.«
» Fundamentalismus.« Sie schüttelte den Kopf, als habe sie Mühe zu verstehen, wie dieses Phänomen entstehen konnte. » Es bedeutet, dass die Menschen die Gesetze, die ihnen die Religion vorschreibt, über die Menschlichkeit stellen.« Sie wirkte plötzlich sehr nachdenklich. » Jesus Christus hat gesagt, die Gesetze sind für den Menschen da, nicht der Mensch für die Gesetze.«
» Ein kluges Wort«, sagte Faris.
Sie lächelte matt. » Nicht wahr?« Sie besann sich auf ein neues Thema. » Ich habe mal gelesen, dass die meisten religiösen Morde in Deutschland von Muslimen begangen werden.« Sie sagte es sehr sachlich, und Faris wunderte sich darüber, dass es ihn nicht ärgerte– ganz im Gegensatz zu den Sprüchen, die Rainer Golzer von sich gegeben hatte. » Stimmt das?«, fragte sie.
» Leider ist es so, ja.«
» Das muss schwierig für dich sein.«
» Wie meinst du das?« Faris trank einen Schluck Kaffee. Über den Rand des Bechers hinweg sah er Ira an.
Sie zog die Schultern hoch. » Wenn es Christen wären, die solche Taten begingen, würde ich mich, glaube ich, schuldig fühlen.«
Solche Taten. Wie die brennenden Türme des World Trade Centers. Meistens meinten die Menschen sie damit, wenn sie von solchen Taten sprachen. Er hingegen sah seit zehn Monaten nur noch die Explosion im Klersch-Museum. » Warum? Du hättest ja nicht auf den Auslöser gedrückt.« Ein Schmerz durchfuhr ihn, der völlig unvermittelt kam. Erst danach wurde ihm bewusst, dass es Pauls Worte waren, die er eben ausgesprochen hatte.
Paul!
Faris wehrte sich dagegen, in das schwarze Loch zu blicken, das der Tod seines Partners in seinem Innersten hinterlassen hatte.
Ira starrte nachdenklich vor sich hin. Sie wirkte ernst. Wahrscheinlich nahm sie alles ernst, was sie tat.
» Nein«, sagte sie leise. » Das hätte ich nicht. Aber ich würde mir Gedanken machen über meinen Gott, wenn es Menschen gäbe, die glauben können, dass er von ihnen verlangt, Tausende zu töten.«
Die Ereignisse des vergangenen Tages rasten an Faris vorbei, die Bombe in der U-Bahn. Die in Hesses Büro. Die in der Gartenlaube. Keine davon war von einem islamistischen Attentäter gezündet worden. Ebenso wenig wie die im Klersch-Museum.
Irgendwie schien Ira zu ahnen, was er dachte. » Die Explosion, die dir das da angetan hat…« Sie zeigte auf die Brandnarbe an seinem Oberarm.
» Damals im Klersch-Museum.«
Ira nickte. » Ich erinnere mich. Der Polizist, der dabei so schwer verletzt wurde: Das warst du.«
» Ja.« Faris schluckte.
» Das ist bestimmt nicht leicht für dich.« Sie sagte nicht, was genau sie meinte, aber er vermutete, dass sie jetzt wieder von den aktuellen Bombenanschlägen sprach.
Er schwieg, schaute sie nur an. » Wusstest du, dass der Museumsbomber kein Islamist war?«
Sie nahm ihre Tasse und drehte sie zwischen den Handflächen. Es sah aus, als müsste sie sich daran wärmen. » Nein. Aber ich gestehe, dass ich mich mit den Motiven des Täters damals auch nicht im Detail auseinandergesetzt habe.«
Ihre Worte machten Faris eigenartig traurig. » Er war Syrer und verheiratet mit einer deutschen Frau«, erzählte er. » Und er wollte das Sorgerecht für seinen Sohn. Aber die Behörden hatten aus irgendeinem Grund ein Auge auf ihn geworfen. Sie vermuteten, dass er in Kontakt mit islamistischen Kreisen stand. Man wollte ihm das Sorgerecht nicht geben. Man hielt ihn für einen Terroristen.«
» Wegen seines arabischen Aussehens«, ergänzte
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