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40 Stunden

40 Stunden

Titel: 40 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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Stehlampe an. Fahlgelber Schein blendete Faris und tauchte alles in ein ganz neues, unangenehmes Licht.
    » Tja«, sagte er leise. » Eine blöde Situation?«
    Langsam schüttelte sie den Kopf. » Warum?«
    In diesem Moment hätte er ein Vermögen dafür gegeben zu ergründen, was hinter diesen blauen Augen vorging. Fühlte Ira sich ähnlich mies, wie er es gerade tat? Er hatte sie benutzt, Allmächtiger! Er musste daran denken, wie er sich an sie geklammert hatte, als gäbe es keinen anderen Halt auf der Welt für ihn. In der Dunkelheit hatte er sich keine Gedanken darüber gemacht, ob es richtig war, was er tat, aber jetzt, bei Licht betrachtet, widerte er sich selbst an. Er hob seine Hose auf und schlüpfte hinein. » Du bist Pfarrerin«, sagte er matt.
    Da lachte sie. » Ja. Aber in meinem Glauben gibt es kein Zölibat.« Ihre Stimme klirrte ein wenig.
    Er ließ das unkommentiert. Dann nahm er ein sauberes T-Shirt aus dem Schrank. Es war sein letztes. Seine Prellungen protestierten dumpf, als er es überstreifte. Jeder Muskel in seinem Leib schmerzte. Wie er den Sex in der vergangenen Nacht durchgestanden hatte, war ihm rätselhaft.
    Er griff nach seiner Jacke und streifte sie über. Er würde sich unterwegs irgendwo ein Brötchen kaufen. » Ich muss los«, sagte er. Der Inbegriff der feigen Ausrede! Fast hätte er über sich selbst gelacht. » Wenn du duschen möchtest, bevor du…« Es war unmöglich weiterzureden. Er verstummte, räusperte sich.
    Sie rührte sich noch immer nicht. Im Schein der Lampe wirkten ihre Augen wie Röntgengeräte. Mit dem Kinn wies sie zur Tür. » Ich habe Frühstück gemacht«, sagte sie.
    Alexander
    Er erwachte mit einem Ruck und begriff, dass er erschöpft von all den Erinnerungen, von all den Bildern, die über ihn hinweggebrandet waren, eingeschlafen sein musste. Der harte Boden, auf dem er lag, war kalt und feucht. Alexander zitterte, sein ganzer Körper war durchgefroren. Wie lang hatte er wohl geschlafen? Plötzlich musste er daran denken, wie der Engel zum ersten Mal vor ihm gestanden und mit ihm geredet hatte. Er hatte ihm all das, was er hier und jetzt erzählen sollte, schon einmal erzählt. Er erinnerte sich nun auch, dass der Engel zu diesem Zeitpunkt ein Gesicht gehabt hatte. Ein sehr menschliches Gesicht. Und keine Flügel. Hatte er jetzt Flügel? Alexander konnte in dem grellen Licht immer noch nicht viel erkennen, aber er glaubte, einen Flügel zu sehen.
    Die Erinnerungen waren jetzt hell und glasklar, und ganz von selbst begann er wieder zu erzählen, was geschehen war…
    Er betritt den Garten sehr früh am Morgen. Die Sonne ist noch nicht aufgegangen. Sein Vater kniet auf dem taufeuchten Rasen und betet. Als Alexander hinter ihm stehen bleibt, verkrampft sich sein Nacken.
    » Du bist da«, flüstert er. » Das ist gut.«
    Alles in Alexander sträubt sich gegen das, was nun zu tun ist, doch er weiß auch, dass er keine Wahl hat. Irgendwo ganz in der Nähe, verborgen in den Schatten der Nacht, steht der Engel Gottes und beobachtet, ob er seine Sache gut macht.
    Er legt eine zitternde Hand auf Vaters Schulter. » Komm«, sagt er. » Es ist Zeit!«
    Vater erhebt sich. Er wirkt schwach, voller Angst. Doch da ist auch ein Glitzern in seinen Augen, eine Gewissheit, dass sie recht tun.
    Durch das Dunkel führt Alexander seinen Vater hierher, in die Tiefen des Verlieses, und beim Anblick des auf dem Boden liegenden Kreuzes werden sie beide bleich. Alexander hat das Kreuz nicht gebaut. Der Engel hat es getan. Es ist nahezu perfekt.
    Der Engel ist auch jetzt bei ihnen, und er lässt ihnen die Zeit, die sie brauchen. Alexanders Blicke schweifen über die Werkzeuge auf der Erde. Den Hammer. Die Nägel. Die zusammengerollten Seile. Alles ist da. Alles ist vorbereitet. So perfekt.
    Seinem Vater schießen Tränen in die Augen.
    » Ihr könnt beginnen«, sagt der Engel mit seiner so menschlichen Stimme. Im nächsten Augenblick flammt das gleißende Licht auf, leuchtet die Szene fahlblau aus.
    Mit steinernem Herzen sieht Alexander zu, wie sich sein Vater auf das Kreuz legt. Dann greift er nach dem Hammer …
    Alexander unterbrach seine Erzählung. » Engel?«, fragte er vorsichtig.
    Er erhielt keine Antwort.
    » Engel?«, fragte er noch einmal.
    Stille antwortete ihm.
    Der Stein, in den sein Herz so lange verwandelt gewesen war, wurde wieder zu Fleisch und Blut. Auf einmal schmerzte es ihn so sehr, dass er sich keuchend krümmte.
    » Engel?« Er kreischte das eine Wort.
    Und

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