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40 Stunden

40 Stunden

Titel: 40 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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sich auf die Kante des Tisches gesetzt. Eine Haltung, die auf den ersten Blick völlig entspannt und locker aussah, in Wirklichkeit aber auf den Verhörten bedrohlich wirkte, weil er um zwei Kopflängen überragt wurde.
    » Lügen Sie mich nicht an!«, sagte er ruhig, aber bestimmt.
    » Ich… Ich war es nicht…«
    Übergangslos änderte Marc seine Taktik. » Wer dann, Alexander?« Die Frage kam wie ein Schuss aus einer Pistole.
    Der junge Mann weinte jetzt nicht mehr, aber in seinen Worten klang ein Schluchzen mit. » Das sagte ich doch schon: der Engel!«
    » Was für ein Engel?«
    Alexanders Blick irrte zu dem Spiegel. Faris las Verzweiflung und Angst aus seinen weit aufgerissenen Augen. Schlagartig fühlte er sich dem jungen Mann verbunden, denn die Einsamkeit, die dieser ausstrahlte, war sogar durch die Scheibe hindurch spürbar.
    » Der Engel des Herrn«, flüsterte Alexander. » Er ist gekommen.« Seine Worte endeten in einem zittrigen Hauch.
    Marc wartete einen Moment. » Wohin ist er gekommen?«, fragte er.
    Alexander schloss die Augen. Sein Brustkorb hob und senkte sich heftig, wie unter unmenschlichen Anstrengungen. » Ich habe mich länger nicht daran erinnern können. Der Engel hat mich immer mit diesem grellen Licht geblendet. Helles Engelslicht, kennen Sie das?«
    Sanft schüttelte Marc den Kopf.
    » Man vergisst alles, weil es so hell und warm ist. Himmlisches Licht, und der Engel hat immerzu darin gestanden. Er hat gar keine Flügel, habe ich gedacht. Aber das war später, nachdem ich meinen Vater…« Er verstummte.
    Marc wartete geduldig. Als Alexander aber keine Anstalten machte, von sich aus weiterzureden, vollendete er den Satz: » Nachdem Sie Ihren Vater gekreuzigt hatten.«
    » Ja. Er hat es mir doch befohlen.«
    » Wer? Der Engel oder Ihr Vater?«
    » Der Engel. Als Vater ihm verraten hat, dass er das will, gekreuzigt werden, meine ich, da hat der Engel zu mir gesagt, dass es eine gute Sache ist.«
    » Kehren wir zunächst zu dem Tag zurück, an dem der Engel das erste Mal aufgetaucht ist. Können Sie mir den Engel beschreiben?«
    » Er sah aus wie ein Mensch. Engel können menschliche Gestalt annehmen, müssen Sie wissen. Darum hatte er auch keine Flügel.«
    Marc nickte bedächtig. » Beschreiben Sie ihn!«
    Doch an dieser Stelle zog sich Alexander abrupt zurück. » Nein!«
    Marc machte nicht den Fehler, ihn zu sehr unter Druck zu setzen. Scheinbar gelassen wechselte er einfach das Thema. » Aber Sie können mir erzählen, was passiert ist, als er kam.«
    Alexander zog die Nase hoch. » Er hat an der Tür geklingelt. Ich weiß das noch, weil ich mich gewundert habe. Engel müssen nicht klingeln, wenn sie einen Raum betreten wollen, nicht wahr?«
    » Nein, Alexander, das müssen sie nicht.« Bewegungslos blickte Marc von oben herab auf Alexander nieder. » Erzählen Sie weiter: Was geschah dann?«
    » Der Engel hat sich mit meinem Vater ins Wohnzimmer gesetzt. Sie haben geredet, ganz lange, und ich habe versucht zu lauschen. Aber das ist eine Sünde.«
    » Haben Sie trotzdem irgendwas von dem verstanden, was gesprochen wurde?«
    » Nur, dass sie über eine Frau geredet haben.«
    » Eine Frau. Können Sie sich noch an den Namen erinnern?«
    Alexander schüttelte den Kopf.
    » Dieser Engel, von dem er spricht.« Faris beugte sich vor, um durch den Spiegel einen besseren Blick auf Alexander zu haben. » Bildet er ihn sich nur ein, oder ist dieser Engel unser Täter?«
    Bedächtig wiegte Shannon den Kopf. » Wenn jemand Stimmen hört, denkt man natürlich zuerst an Schizophrenie, aber in diesem Fall ist das Bild nicht stimmig. Alexander hat keinerlei Realitätsverlust, ihm fehlt das Wahnsystem.« Sie beobachtete Alexander durch die Scheibe, der jetzt wieder mit gesenktem Kopf dasaß. » Nein, ich bin sicher, dass er sich diesen Engel nicht einbildet. Das ist mit Sicherheit unser zweiter Täter.«
    Faris wollte gerade etwas fragen, als die Tür aufgestoßen wurde und Gitta hereinstürmte. Sie wirkte aufgeregt. In den Händen hielt sie ein einzelnes Blatt Papier, so wie es aussah, einen Ausdruck von einem Eintrag der Dig AA . » Das ist eben reingekommen!«, rief sie und wedelte damit in der Luft herum.
    Tromsdorff nahm ihr das Blatt ab und überflog es. » Das ist…« Er wurde blass, dann reichte er den Ausdruck an Faris und Shannon weiter. Die Notiz darauf stammte von einem Kollegen aus der Sprengstoffeinheit des LKA .
    Im Verhörraum hatte sich Marc inzwischen für eine andere Taktik

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