40 Stunden
Verhörzimmer in der Keithstraße gegenübersaß.
» Sie hätten beinahe alles vermasselt«, sagte sie. Sie stand mitten im Raum, und die Art, wie sie ihre Arme vor der Brust verschränkt hatte, verbarg nur unzureichend den Druck, unter dem sie zu stehen schien. » Wenn KOK Kellner vom Sprengstoffkommando nicht auf gut Glück einen der beiden Drähte durchgeschnitten hätte, kurz bevor Hesse gestorben ist, müssten wir jetzt dort draußen eine Menge Trümmer zusammenkehren!«
Faris zuckte nur die Achseln. Er hatte in stundenlangen Befragungen wohl ein Dutzend Mal die gleichen Vorwürfe zu entkräften versucht, und er hatte keine Lust mehr. Hätte er ahnen müssen, dass der Herzmonitor nicht mit Werner Ellwanger, sondern mit Hesse verbunden gewesen war? Er wusste es nicht. Sollte Geiger ihn doch zum Teufel schicken, ihm war es egal. Er schloss die Augen und schaute in den Abgrund in seinem Innersten, um zu ergründen, ob er durch Hesses Tod noch tiefer geworden war.
Er konnte es nicht sagen.
» So ein Einsatz ist Teamarbeit«, sagte er dann ruhig und erinnerte sich daran, dass Tromsdorff genau das zu ihm gesagt hatte. Wenn sie Glück hatten, sahen das die Verantwortlichen ganz weit oben ein, und die SERV war für eine Weile vor Geigers Nachstellungen sicher.
Geiger wickelte ihre Arme auseinander. Fordernd streckte sie die Hand aus. » Ihre Waffe!«
» Die habe ich längst den Kollegen gegeben«, murmelte er. » Ich vermute, es hat keinen Sinn, Sie zu fragen, wann ich sie wiederbekomme?«
Geiger zuckte die Achseln. Ihre sonst so perfekt frisierten Haare waren ein wenig zerzaust.
Da erhob sich Faris. » Sind wir jetzt fertig?« Er hatte es einfach nur noch satt!
Sie blinzelte mehrfach rasch nacheinander. » Für’s Erste«, sagte sie kühl.
Bevor Faris sich auf den Weg nach Hause machte, beschloss er, kurz im War Room vorbeizusehen. Aus irgendeinem Grund hatte er das Bedürfnis, sich für eine Weile auf seinen ehemaligen Platz zu setzen und auf diese Weise Abschied von seinem Partner zu nehmen.
Seit dem Einsatz waren Stunden vergangen, und er erwartete eigentlich, dort niemanden mehr vorzufinden, aber zu seiner Verblüffung waren sie alle noch da. Tromsdorff und Gitta. Shannon, Ben und Marc. Als könnten sie es noch nicht recht glauben, dass sie es tatsächlich geschafft hatten, die Katastrophe abzuwenden, saß das Team– sein Team! – noch immer zusammen und redete.
» Meine Güte«, stieß er hervor. » Habt ihr alle kein Zuhause, oder was?«
Gitta sprang auf die Füße und eilte ihm mit klimpernden Armreifen entgegen. Da er es am Telefon versprochen hatte, herzte sie ihn nun ausgiebig und so heftig, dass all die Prellungen und Verletzungen, die er sich im Laufe der vergangenen anderthalb Tage zugezogen hatte, mit dumpfem Schmerz protestierten.
» Au!«, machte er, und Gitta fuhr erschrocken zurück. Da lächelte er sie an. » Reingelegt.«
Sie lachte auf und schlug spielerisch nach ihm. » Idiot!«
» Ich lieb dich auch!« Ächzend ließ er sich auf einen Stuhl fallen, den Shannon ihm heranschob. Sein Blick ruhte auf Pauls leerem Platz. » Warum seid ihr alle noch hier?«
» Glaub mir, ich habe sie alle nach Hause geschickt, um sich mal gründlich auszuschlafen«, meinte Tromsdorff. » Aber keiner von uns wollte einfach gehen. Wir wollten erst wissen, was mit dir wird. Außerdem dachten wir, du wüsstest vielleicht gerne über das Bescheid, was wir herausgefunden haben.«
Faris sah seinen Kollegen der Reihe nach in die müden Gesichter. Ein jeder von ihnen hatte in den vergangenen Stunden Übermenschliches geleistet. Ein warmes Gefühl von Zusammengehörigkeit keimte in ihm und linderte den Verlust Pauls ein wenig. Er grinste schief. » Okay! Dann raus mit der Sprache!«
Es war Shannon, die begann. » Ich glaube, über Hesse selbst müssen wir nicht mehr allzu viele Worte verlieren, oder?« Sie tat es trotzdem. » Ich habe mich über seine Mutter erkundigt, diese Ludmilla Mechow. Sie war erzkatholisch, eine religiöse, bigotte Frau, aber sie kam nicht mit ihm klar. Mit fünf kam er in ein Kinderheim. Im Laufe seiner Kindheit wuchs in ihm der Wunsch nach einer richtigen Familie. Als dann seine Geliebte in Afghanistan starb, verlor er den Halt. Auslöser für seine Taten war dann allerdings der Tod von Ludmilla bei dem Bombenanschlag im Klersch-Museum. Durch ihren Tod erfuhr er von seinem Vater, nahm Kontakt mit ihm auf, und tragischerweise fand er in ihm einen noch viel schlimmeren Fanatiker, als
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