40 Stunden
seine Mutter es gewesen war.« Sie hielt inne und musterte Faris einen Moment lang schweigend. » Hesse war ein hoch manipulativer Charakter. Das Video, das er von Alexander unter dem Kreuz gedreht hat, zeigt das. Er hat es genossen, seinen Halbbruder unter seiner völligen Kontrolle zu haben. Und hey! Er hat sich die Elektroden selbst angeklebt, damit du die Bombe in die Luft jagst.«
» Warum das Video?«, erkundigte sich Faris.
» Offenbar wollte er damit ein Statement abgeben, frei nach dem Motto: Seht her, was Religion alles anrichten kann!«
» Hat Ellwanger tatsächlich seine Frau ermordet? Hesse hat so was angedeutet.«
Tromsdorff nickte. » Man hat inzwischen ihre Leiche gefunden. Sie lag im Schrebergarten unter einem Blumenbeet. Wir forschen noch nach dem Motiv, aber vermutlich hat sie gedroht, ihm Alexander wegzunehmen. Das jedenfalls geht aus dem hervor, was Alexander auf dem Video gesagt hat.«
» Jesus Christ!«, entschlüpfte es Shannon. » Wenn ich mir überlege, wie Alexander sich gefühlt haben muss in dem grellen Scheinwerferlicht, dem er ausgesetzt war. Er scheint es für die Aura des Engels gehalten zu haben.« Einen Moment lang hingen sie alle ihren eigenen Gedanken nach. » Es würde mich interessieren, ob er Alexander irgendwelche Drogen gegeben hat, um ihn leichter manipulieren zu können.«
Möglich war es, dachte Faris. Er hatte Alexander auf dem Video gesehen, und der junge Mann war definitiv nicht klar im Kopf gewesen. Aber etwas ganz anderes interessierte Faris in diesem Moment viel mehr als die Frage nach den Drogen.
» Wie geht es Werner Ellwanger?«, fragte er.
» Er lebt, und er wird sich für den Mord an seiner Frau verantworten müssen, ebenso für die Misshandlungen, die er an Alexander begangen hat.« Shannon klang zufrieden.
Faris nickte. » Gut!« Und dann fiel ihm etwas ganz anderes ein: Laura! Er zog sein Smartphone aus der Tasche. Während der stundenlangen Befragungen hatte er es ausgeschaltet. Jetzt machte er es an und wartete einen Moment, ob es entgangene Anrufe anzeigte.
Er hatte einen einzigen erhalten, aber nicht von Laura, sondern von seiner Schwester Anisah. Die Kollegen hatten Kontakt mit seiner Familie aufgenommen und ihnen versichert, dass Faris in Sicherheit war. Alles Weitere würde er später mit Anisah und den anderen besprechen können.
Laura hingegen …
» Der Fernzünder, den Hesse in der Hand hatte«, begann er und konnte die Frage nicht stellen, die ihm auf der Seele brannte.
Tromsdorff verstand ihn dennoch. Er nickte. » Die Kollegen haben mir gesagt, dass er damit den Leuchtstab zur Detonation gebracht hätte, den er Lilly gegeben hat.«
Faris senkte den Kopf. » Okay«, flüsterte er. Wenn er nicht geschossen hätte, wäre Lilly jetzt tot. Er war sich trotzdem nicht sicher, ob es die Sache langfristig einfacher machen würde. Er bekam das Bild des sterbenden Niklas Hesse einfach nicht aus dem Kopf. Das und ein anderes. Eines, das Niklas zeigte, wie er früher war– voller Elan und Idealismus.
Faris rieb sich die vor Müdigkeit brennenden Augen. Als man ihn zur Befragung in die Keithstraße gebracht hatte, hatten die Kollegen ihm versichert, dass es Laura gut ging. Mehr musste er nicht wissen. Wenn sie das Gefühl hatte, mit ihm über das Geschehene reden zu müssen, würde sie sich melden. Er war sich allerdings sicher, dass das nie geschehen würde. Er unterdrückte ein Seufzen und steckte das Mobiltelefon wieder fort. Ganz kurz wanderten seine Gedanken zu Ira Jenssen. » Wie konnte Hesse gleichzeitig auf zwei Leitungen mit mir telefonieren?«, fragte er. Er dachte daran, wie er zum Internetcafé gefahren war. Er hatte mit dem Anrufer telefoniert und gleichzeitig über sein zweites Handy Hesse vor seiner eigenen Bombe gewarnt. Jetzt erst wurde ihm bewusst, wie genial dieser Schachzug des Reporters gewesen war. Ben räusperte sich. » Das ist technisch kaum ein Problem. Es gibt zum Beispiel Programme, die Sprache imitieren, wenn man Sätze in eine Tastatur eingibt. Hesse war Journalist, er konnte locker gleichzeitig tippen und mit dir reden.«
» Wir haben inzwischen die Aufnahmen der verschiedenen Anrufe analysiert«, fügte Tromsdorff hinzu. » Als du auf dem Weg in das Café warst, hatten Hesses Antworten ganz leichte Verzögerungen. Wir hätten es merken können, wenn wir gewusst hätten, worauf wir achten müssen.«
» Wir hätten ihm eher auf die Schliche kommen müssen«, sagte Faris leise. Er wappnete sich gegen das lauernde
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