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40 Stunden

40 Stunden

Titel: 40 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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konnte. Dann sah er zu, wie sich das Gesicht seines Partners zu einer erst entsetzten, dann zunehmend fassungsloseren Grimasse verzog, während er die grausamen Vorgänge auf dem Bildschirm verfolgte.
    Als das Video zu Ende war, sah Paul ratlos aus. » Ich verstehe nicht«, murmelte er.
    » Ich weiß. Ich bin auch nicht viel schlauer als du. Alles, was ich weiß, ist das, was der Kerl mir gesagt hat.« Faris räusperte sich, bevor er es aussprach. » Dieser Mann hier«, er tippte auf sein Handy. » Er befindet sich irgendwo in Berlin, und er ist an einen Herzmonitor angeschlossen.«
    Paul wartete, dass er weitersprach, aber hinten in seinen Augen sah Faris bereits die Erkenntnis dämmern. Paul war ein erfahrener Polizist, und bei ihrer gemeinsamen Arbeit für die SERV hatten sie beide schon die seltsamsten und furchtbarsten Dinge erlebt.
    » Wenn der Mann am Kreuz stirbt…« Faris musste den Satz nicht beenden.
    Paul wich einen Schritt zurück. » O Gott!«
    Faris nickte langsam.
    Paul brauchte einen Moment, um sich zu fangen. Schließlich straffte er die Schultern. Sein Blick schweifte durch die Gegend, blieb auf demselben hochgewachsenen Mann in dunkelblauem Anzug hängen, den er zuvor schon wahrgenommen hatte. Der Mann hieß Marvin Andersen. Faris wusste, dass Andersen der Leiter des LKA 5, der Abteilung für Polizeilichen Staatsschutz, war. In sein Ressort fielen die Ermittlungen bei diesem Bombenanschlag, und er war hier, um sich vor Ort ein Bild von den Ereignissen zu machen.
    In diesem Augenblick hatte Andersen sein Gespräch beendet. Er wechselte ein paar letzte Worte mit den Politikern, dann entdeckte er Faris und Paul. Er kam zu den beiden herüber und reichte Faris die Hand. » Kriminaloberkommissar Iskander, nicht wahr?« Er war ein gepflegter, glattrasierter Typ mit durchdringend blauen Augen und schmalen Fingern, deren Nägel manikürt aussahen. » Man erzählte mir gerade, Sie wären Zeuge dieses Attentats geworden.« Er musterte Faris’ staubbedeckte Gestalt von Kopf bis Fuß.
    Faris nickte und verschwieg die Tatsache, dass er genau genommen im Moment nicht Kriminaloberkommissar war. » Ich erhielt heute Morgen einen Anruf, der mich veranlasste hierherzukommen.« Er ignorierte Andersens fragenden Blick, für Details war später noch Zeit. Er sparte seinen Zusammenstoß mit der Jugendgang aus und berichtete kurz, wie der Zug in die Luft geflogen war.
    Andersens Kiefer verhärteten sich. » Sie sagten, Sie erhielten einen Anruf, der Sie veranlasste herzukommen. Wie darf ich das verstehen?«
    » Der Anrufer hat mir etwas geschickt, das Sie sich ansehen sollten.« Bevor er das Video ein weiteres Mal abspielen konnte, trat einer der Politiker, mit denen Andersen eben noch gesprochen hatte, zu ihnen.
    » Marvin?« Das Gesicht des Mannes war grau. Faris hatte ihn irgendwo schon einmal gesehen, im Fernsehen vermutlich. Wahrscheinlich war der Mann von einer Senatsverwaltung.
    Andersen drehte sich zu ihm um.
    » Der Innensenator kommt gerade.« Der Mann rieb sich über die Augen, als könne er so das Gesehene fortwischen.
    Andersen nickte, wandte sich dann wieder an Faris. » Hat der Anrufer irgendwelche Anhaltspunkte gegeben, die uns dabei helfen könnten, diese Sache hier einzuordnen? Islamistischer Terror? Rechtsradikale?« Seit den Verbrechen, die als die sogenannten Dönermorde durch alle Zeitungen gegangen waren, wurde im LKA die Möglichkeit von braunem Terror stets mit in Betracht gezogen.
    Faris zuckte die Achseln. Kopf und Schulter schmerzten noch immer, und noch immer war da dieses aufdringliche Klingeln in seinen Ohren. » Sie sollten sich wirklich das Video ansehen.«
    » Marvin, der Innensenator«, drängte der Mann von der Senatsverwaltung.
    Andersen überlegte. » Ich komme gleich.« Aber er folgte dem Mann nicht sofort zu einer dunklen Limousine, die in diesem Moment ganz am Ende der langen Reihe von Rettungsfahrzeugen anhielt. Stattdessen wandte Andersen sich wieder zu Faris um. » Ich muss dem Senator Rede und Antwort stehen. Sie lassen sich nach Tempelhof fahren, damit man Sie dort ausführlicher über diesen Unbekannten befragen kann.« Tempelhof war die interne Bezeichnung für das Gebäude am Platz der Luftbrücke, in dem sich die Abteilung 5 befand. » Ihr Video sehe ich mir später an. Zeigen Sie es…«
    Faris hob eine Hand, um Andersen zu unterbrechen. » Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich gern mit meinen Kollegen in die Keithstraße fahren und schon mal mit den Ermittlungen

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