41 Rue Loubert: Kriminalroman (German Edition)
von Nachbarn und Verwandten. Auch scheuten sie sich nicht davor, auf einschlägigen Internetplattformen nach geeigneten Objekten ihrer pädophilen Gelüste zu suchen. Sie waren bereit dazu, astronomische Summen für Fotos, Filme und kleine Menschen selbst zu bezahlen, wenn ihnen nur dafür jeder noch so perverse Wunsch erfüllt wurde. Louise hatte die Männer lange Zeit beobachtet, Nachforschungen angestellt, um sicher zu gehen, einige hatten sich ihr sogar anvertraut, und erst wenn sie von ihrer Schuld restlos überzeugt war, war sie zur Tat geschritten.
Louise verfolgte jahrelang über ihren kleinen Laptop jeden Fall in Frankreich, der zu diesem Thema bekannt wurde. Mit noch größerem Interesse dokumentierte sie später den Werdegang der Männer nach ihren Verurteilungen. Nur wenige wurden bis an ihr Lebensende von der Öffentlichkeit fern gehalten oder richteten sich selbst. Für die meisten endete ihre Strafe nach einigen Jährchen in Haft oder einer speziellen Anstalt – wenn sie schlau genug waren, Therapeuten nach dem Mund zu sprechen oder sich dem Gefängnisleben demütig anzupassen.
Ihre Opfer hingegen litten ihr Leben lang unter Albträumen, Ängsten und Krankheiten. Als Erwachsene gaben sie Gewalt und Missbrauch an ihre Kinder weiter oder waren nicht in der Lage, soziale Beziehungen einzugehen. Meist verschwiegen sie aus Scham oder Angst ihre Leiden. Nur einer verschwindend kleinen Anzahl an Betroffenen, zu denen Louise auch sich selbst zählte, gelang es, die brennenden Seelenqualen abzuschütteln und ein einigermaßen normales Leben zu führen.
Louise war durchaus bewusst, dass sie nicht alle Kinder dieser Welt beschützen oder retten konnte, doch wenn es durch ihre Hand gelungen war, auch nur ein einziges Kind vor Marter und Schmerz zu bewahren, war für sie der Tod des Peinigers mehr als gerecht.
Natürlich gab es ein staatliches System, das für Gerechtigkeit und Ordnung verantwortlich war und natürlich war Louises Lösung keinesfalls zur Nachahmung geeignet, das war ihr schon klar, doch sie handelte aus tiefster Überzeugung und weil sie das Elend der hilflosen Kinder am eigenen Leib noch immer fühlen konnte.
Sie selbst hatte Kinder und ein Leben in einer Familie nie vermisst, dazu hatte sie ihre Jugend mit den zahlreichen Geschwistern zu sehr geprägt. Die Notzucht durch den Vater war als kleines Mädchen für sie selbstverständlich gewesen, als ungewollt schwangere Jugendliche hatte sie sich dagegen aufgelehnt, als erwachsene Frau nutzte sie so gut es möglich war ihre Chancen, einzelne Täter zu eliminieren und damit eventuell weitere Schäden zu verhindern. Louise plagte deswegen kein schlechtes Gewissen, im Gegenteil, sie empfand nur ehrliche Befriedigung.
Das Badewasser war merklich abgekühlt, es war Zeit, sich für ihre letzte Begegnung mit Henrik und Luc fertig zu machen. Sie würde sich heute besondere Mühe mit ihrem Äußeren geben; das letzte Bild, das die beiden vor Augen haben sollten, war eine perfekte, liebevoll lächelnde Louise.
Der junge Polizeischüler
Nach dem Besuch des Pariser Ermittlungsleiters war es Mathis nicht möglich gewesen, in der Kneipe mit der Alten zu sprechen. Illegale Flüchtlinge waren am Dienstagnachmittag mit einem Frachtschiff eingetroffen und es wurde im Revier jeder Mann gebraucht, sodass er keine Gelegenheit gehabt hatte, sich für eine Stunde abzusetzen. Nach Mitternacht war er dann einerseits zu müde gewesen, andererseits musste er sich eingestehen, dass er sich davor fürchtete, alleine zu nächtlicher Stunde sich in das kriminelle Hafenviertel zu wagen.
Für den heutigen Tag hatte aber der Polizeikommandant angekündigt, dass Mathis seine Mittagspause auf zwei Stunden ausdehnen könne und die würde er dazu nutzen, das Mittagessen bei seinen Eltern entfallen zu lassen und in Uniform in der Hafenkneipe nach der Alten zu suchen.
Er überprüfte, ob er genügend Kleingeld und Geldscheine eingesteckt hatte, obwohl er seit Dienstag immer darauf geachtet hatte, dass in seinen Hosentaschen ausreichend Geld war, das die Frau für ihre Gesprächsbereitschaft gefordert hatte.
Mit mulmigem Gefühl und weichen Knien stieß er um die Mittagszeit die verzogene Eingangstüre der verrauchten Bar auf. Die alte Frau saß an ihrem Tisch und nuckelte durch einen Strohhalm ihr Bier, als hätte sie sich seit drei Tagen in ihrem Rollstuhl nicht von der Stelle weg bewegt. Er setzte sich grußlos ihr gegenüber, unterdrückte die aufsteigende Übelkeit, die
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