41 Rue Loubert: Kriminalroman (German Edition)
Plastikbagger, den er draußen im Sandkasten dazu verwendete, Löcher auszuheben und Mäusekot aus dem Keller darin zu versenken.
Mit einer schnellen Bewegung führte er seine gekrümmten Finger zur linken Hand, zog die Finger fester zusammen und hielt so seinen kleinen Finger fest gepackt. Auf diese Weise versuchte er, jeden einzelnen Finger abwechselnd mit rechter und linker Hand zu ergreifen. Danach machte er sich daran, dieselbe Prozedur bei seinen Zehen zu wiederholen. Dies war ungleich schwieriger, da ihm beide große Zehen fehlten und die Knochen der Fußschaufel unregelmäßig und starr verwachsen waren. Außerdem zuckten seine Beine mehr als seine Arme und Anstrengung und Aufregung ließen seine Muskeln zittern. Aber er gab nicht auf.
Für den krönenden Abschluss seiner Generalprobe hatte Luc den braunen Teddybären ausgewählt, den Hendrik für ihn vor vielen Jahren an einer Schießbude eines Jahrmarktes gewonnen hatte. Der kuschelige Bär hatte die Größe eines Kleinkindes und mit seinem dicken Kunstfell war er zwar behäbig, aber dennoch beweglich und nicht besonders schwer. Luc setzte den Bären neben sich auf das Bett und ließ die Beine aus dem Bett baumeln. So saß Louise manchmal neben ihm auf dem Sofa. Er starrte dem Bären konzentriert auf dessen abgegriffene, schwarze Gummischnauze, knickte seine Finger, stieß die Hand in das Gesicht des Bären und schnappte sich die weiche, nachgiebige Fellnase. Die Finger fest darum gekrallt, stieß er ein siegessicheres Jauchzen hervor und hielt erschrocken inne. Hatte Hendrik ihn gehört und würde gleich im Zimmer stehen? Luc warf den Bären unsanft vom Bett, drückte schnell den Schalter am Globus, legte sich hin, drehte das Gesicht zur Wand und lauschte. Alles blieb ruhig.
Er gluckste leise vor sich hin, überglücklich, dass er sein Ziel erreicht hatte. Er würde nun ein wenig seine verkrampften Hände ausruhen und wenn es draußen hell wurde, noch einen Trainingsdurchgang starten.
Nach einem leckeren Frühstück spielte er mit Hendrik im Garten, hielt ein geruhsames Mittagsschläfchen und war bestens darauf vorbereitet, Louise zu besuchen.
Lucs ausgeprägter Instinkt sagte ihm, dass er auf jeden Fall heute seine Chance nutzen musste. Er musste sich Louises vertrautes Gefühl holen – und wenn es das Letzte war, was er in seinem Leben tat.
Hendrik
Alles war doch noch gut geworden, dank Louise. Hendrik sorgte sich zwar ein wenig um sie und um die Anschuldigungen, die gegen sie von Marcel in die Welt gesetzt wurden, doch sie hatte am Telefon unbesorgt und heiter geklungen und sogar Verständnis für Marcels Vorgehensweise bekundet. Irritierend hatte Hendrik indes die entschiedene Sicherheit gefunden, mit der der Ermittlungsleiter auftrat, offensichtlich felsenfest von Louises Schuld überzeugt. Hendrik würde jedenfalls heute noch seine Anwälte aktivieren, damit sie im schlimmsten Fall Louise vor weiteren Angriffen schützen konnten. Nicht nur er selbst, auch Luc wäre untröstlich, würde Louise von ihnen mehr als ihre zwei üblichen Urlaubswochen getrennt werden. Sollte er noch ein letztes Mal einen Vorstoß wagen und bei Louise um ihre Hand anhalten? Würde er eine neuerliche Enttäuschung verkraften oder würde sie ihm mit der Weisheit des Alters und mehr noch in Anbetracht des reichen Erbes ihr Jawort geben? Würde sie Luc jeden Tag ertragen können?
Wenn Hendrik an Luc dachte, überzog ein liebevolles Lächeln sein runzeliges Gesicht. Der Junge entwickelte sich in letzter Zeit prächtig, er wurde selbständiger und sprach seine gängigen Silben mit mehr Selbstbewusstsein. Hendrik hatte seinen Sohn in den letzten Tagen heimlich dabei beobachtet, wie er fasziniert auf seine Hände gestarrt und die Finger langsam bewegt hatte, als ob er gezielt nach etwas greifen wollte. Auch hatte er seine Freigänge über das Fenster weidlich ausgenutzt und Hendrik hatte während des Gesprächs mit Marcel Mühe gehabt, nicht schmunzelnd zu dem Fliederstrauch hinüberzusehen, unter dem sich Luc unentdeckt wähnte.
Schon nach kurzer Zeit, als Hendrik aus Sorge den Sicherheitsriegel an Lucs Fenster anbringen hatte lassen, war ihm klar geworden, dass er sein einziges Kind nicht wie ein Tier in einem Käfig gefangen halten wollte. Was konnte schon im Garten Schlimmes geschehen? Das Grundstück war sicher eingezäunt und überschaubar, die Verletzungsgefahr für Luc gering und es war immer Personal in der Nähe, das er im Ernstfall zu Hilfe rufen konnte. Er
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