41 - Unter heisser Sonne
Herr. Wie glücklich würde ich sein, wenn ich es dir vergelten könnte! Wer sind diese Leute?“
„Die Bewohner dieses Duar. Sie gehören zu dem berühmten Stamme der Uëlad Sliman.“
„Du auch?“
„Nein. Ich bin ebenso ihr Gast, wie du es sein wirst.“
„Ja, sei unser Gast! Wir heißen dich willkommen!“ sagte der Scheik zu ihm, indem er ihn bei der Hand ergriff. „Komm mit in mein Zelt! Alles was dir gehört, ist bei uns so sicher und so gut aufgehoben, als ob du es bei dir, bei deinem eigenen Stamm hättest.“
Er führte ihn in das Duar und in sein Zelt. Die Frauen sangen laut ihr „Ahla wa sahla wa marhaba“ (Willkommensgruß), und die Kinder stimmten in dasselbe ein.
Ich war gewöhnt, stets vorsichtig zu sein, und bat den Scheik, den Tibbu einige Reiter nachzusenden. Wir mußten wissen, ob sie wirklich fortritten oder die Absicht hatten, das gegebene Versprechen zu brechen und Rache an den Uëlad Sliman zu nehmen. Diese Boten brachten dann am nächsten Tag die beruhigende Nachricht, daß die Feinde ohne Aufenthalt westwärts geritten seien.
Natürlich hätten wir gar zu gern gewußt, wer und was der Fremde war; aber das Gesetz der Wüste verbot, sofort danach zu fragen. Wir beobachteten einander während des ganzen Vormittags, und ich machte da die Bemerkung, daß er aus mir ebensowenig klug wurde, wie ich sein Wer und Was erraten konnte. Es kam erst dann zur Aufklärung, als es zu Mittag wieder einen gebratenen Hammel gab und wir das Mahl nach mohammedanischer Weise mit dem gebräuchlichen ‚El Hamd ul illah‘ einleiteten. Er sprach diesen Ausruf nicht mit aus und entschuldigte sich:
„Ihr dürft mir mein Schweigen nicht übelnehmen; ich bin kein Moslem, sondern ein Christ.“
„Ein Christ?“ fragte ich. „Also wohl auch kein Orientale?“
„Nein. Meine Heimat liegt im Bilad Amirika.“
„Nord oder Süd?“
„Im Norden.“
„Wohl in den Vereinigten Staaten?“
„Wie, du kennst dieses Land?“ fragte er verwundert.
„Ich habe von ihm gehört“, antwortete ich ausweichend. „So ist dein Name wohl kein arabischer?“
„Nein; ich heiße Forster. Das ist ein Wort, welches du wohl nicht auszusprechen vermagst.“
„Forster, Forster“, sagte ich lächelnd.
„Du kannst es, du kannst es! Das hat noch kein Araber fertiggebracht!“
„Oh, ich kenne die Dscheografia (Geographie)!“ stellte ich mich stolz. „Ich spreche alles richtig aus, vielleicht auch die Stadt, die deine Heimat ist. Darf ich sie erfahren?“
Er hielt mich für einen Beduinen, lächelte ein wenig und antwortete:
„Ich bin in Stenton geboren.“
„Stenton? Etwa in Arkansas?“ fuhr ich auf.
„Was? Wie? Du kennst diesen Namen wirklich?“ fragte er, im höchsten Grade erstaunt.
„Forster! Stenton in Arkansas! War dein Vater etwa ein Scha'ir (Dichter)?“
„Ja.“
„Forster, Richard Forster! Er stammte aus Frankfurt in Kentucky?“
„Ja, ja!“
„Und deine Mutter? Maschallah! Welch ein Wunder! Sie hieß Marga und war die Tochter des Bankiers Olbers?“
Da sprang er auf und schrie mich förmlich an:
„Du kennst meinen Vater und meine Mutter? Du kennst Stenton und Frankfurt? Mann, du bist nicht der, für den ich dich gehalten habe; du bist ein anderer!“
Sein Erstaunen war mir eine wahre Wonne. Da aber fuhr mir mein schwatzhafter Ali drein. Zwar waren ihm die Namen, die er gehört hatte, fremd, aber er begriff die Situation und rief dem Amerikaner zu:
„Mein Effendi ist ja auch ein Christ!“
„Auch – ein – Christ!“
„Ja; er ist kein Beduine, sondern ein Alemani.“
„Ein Alemani? Ein Deutscher?“
„Ja“, lachte ich jetzt laut. „Ich weiß, Mr. Forster, daß wir deutsch miteinander sprechen können.“
„Allerdings, allerdings! Sie ein Deutscher, ein Deutscher! Wer hätte das gedacht! Ist so ein Zusammentreffen nicht ein wahres Wunder zu nennen?“
„Oh, ich habe solche Wunder schon wiederholt erlebt.“
„Aber Sie kennen meine Eltern. Da müssen Sie doch in Amerika gewesen sein?“
„Verschiedene Male.“
„Ihr Name, Ihr Name?“
„Daheim heiße ich anders; drüben wurde ich Old Shatterhand genannt.“
Ich glaube, jetzt glänzte mein Gesicht förmlich vor Vergnügen.
„Old – Shat – ter – hand!“ stieß er die Silben alle einzeln hervor, so überrascht war er.
„Ja. Ich habe Ihren Vater in Mexiko getroffen, wo er mir erzählte, wie er zu seinen Grants gekommen war. Darf ich hoffen, daß er noch lebt?“
„Natürlich lebt er noch! Aber,
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