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41 - Unter heisser Sonne

41 - Unter heisser Sonne

Titel: 41 - Unter heisser Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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geschäftlichen Gründen aufgesucht hatte; aber beide waren sehr reich, und beide waren sehr ehrlich; ein Zerwürfnis in dieser Beziehung konnte nicht vorliegen. Wenn Manasse wirklich der Gegenstand von Forsters Mißmut war, so war die Ursache gewiß auf einem ganz anderen Punkt zu suchen. Nicht in geschäftlichen Verhältnissen? Etwa in familiären? Ich mußte an meine liebe, schöne Rahel, an meine Rose von Sokna, denken.
    Ich hatte den Namen Rahel einige Male erwähnt, und da war er allemal tief errötet. Lag es hier? Ah!
    Als wir jetzt nun die aus Erde gestampften Umfassungsmauern der Stadt vor uns sahen, über welche der gewaltige Bau des Residenzschlosses emporragte, durfte ich nicht länger zögern; ich mußte wissen, ob er mit bei Manasse Ben Aharab absteigen wollte oder nicht. Darum sagte ich:
    „Endlich sind wir da! Wer wird Ihnen ein Habakek (Sei willkommen) zurufen? Wo ich wohnen werde, das wissen Sie. Wollen wir nicht beisammenbleiben, Mr. Forster?“
    Er hätte wohl gern ja gesagt; das sah ich ihm an; aber seine Antwort lautete:
    „Zwei Gäste in einem Haus, das ist selbst für einen wohlhabenden Mann wenn auch nicht zuviel, so doch störend. Ich werde wieder bei meinem Mameluken Alaf wohnen.“
    In Mursuk versteht man unter Mameluken die Abkömmlinge von weißen Renegaten; sie bilden den dortigen Adel.
    „Ganz wie Sie wollen, bester Freund. Das wird ja nicht verhindern, daß wir uns täglich sehen.“
    „Nein. Sie sind mir ja zu jeder Minute willkommen; das brauche ich Ihnen nicht erst zu sagen.“
    „Sie mir ebenso. Wir werden uns gegenseitig besuchen.“
    Er erwiderte nichts darauf, und so wußte ich, woran ich war. Ich sollte ihn besuchen; er aber wollte nicht zu mir kommen; er war mit Manasse Ben Aharab verfeindet. Wir ritten durch die erste der sehr breiten Straßen nach der zweiten, in welcher das Haus seines Mameluken lag; dort verabschiedete ich mich von ihm und setzte mit Ali meinen Weg bis zum Schloß fort, in dessen Nähe Manasse wohnte. Vor seinem nach dortiger Bauart einstöckigen aber sehr geräumigen Haus ließen wir die Kamele niederknieen und stiegen ab. Das weite Tor war verschlossen, eine Seltenheit zu jetziger Tageszeit! Ich bewegte den schweren, ehernen Klopfer, worauf einer der schwarzen Sklaven das Tor öffnete. Er kreuzte die Arme über der Brust und verbeugte sich tief.
    „Ist der Herr daheim?“ fragte ich.
    „Nein, Effendi; er ist zum Pascha geritten.“
    „Und die Bint el Bet (Tochter des Hauses)?“
    „Ist auch fort.“
    „Wohin?“
    Ich glaubte, als Gast und Hausfreund diese verbotene Frage aussprechen zu dürfen.
    „Niemand weiß es.“
    „Was? Niemand weiß es? Was redest du da?“
    „Niemand weiß es“, wiederholte er.
    „Allah! Ist etwas geschehen?“
    „Ja, Effendina.“
    „Was?“
    „Weiß es nicht. Niemand darf davon sprechen. Issitt Rebekka (Fräulein Rebekka) wird es dir sagen.“
    Er fuhr sich mit dem Arm über die Augen und trat auf die Seite zu Ali, um diesem behilflich zu sein, die Kamele in den Hof zu schaffen; ich aber eilte spornstreichs zu Rebekka, der alten Wirtschafterin, deren ganz besonderer Liebling Rahel war. Ich fand sie in der Küche, wo sie beschäftigt war, einen Teig zu kneten. Als sie mich eintreten sah, unterbrach sie sofort ihre Arbeit, kam mit hoch erhobenen Händen auf mich zu und rief in jammerndem Ton: „Oh, Effendi, wie sehnsüchtig haben wir auf dich gewartet, und wie froh ist meine Seele, daß du endlich kommst!“
    Bei diesen Worten schoß auch schon ein Tränenstrom aus ihren Augen, die sie sich mit ihren teigigen Händen zu trocknen versuchte, was aber zur ganz natürlichen Folge hatte, daß sie sich dieselben fast vollständig verklebte.
    „Was ist denn geschehen, meine gute Rebekka?“ fragte ich sie. „Warum weinst du?“
    „Denke dir, sie ist fort, fort, fort!“
    „Wer? Rahel?“
    „Ja, sie!“
    „Wie meinst du das? Sie ist fort?“
    „Sie ist verschwunden, vollständig verschwunden, sie, die Blume unseres Hauses, der Liebling unserer Herzen.“
    „Verschwunden? Ohne daß ihr wißt, wohin?“
    „Ja. Kein Mensch weiß, wo sie sich befindet!“
    „Ist das ganz plötzlich geschehen?“
    „Ja.“
    „Wann?“
    „In der Nacht.“
    „Wo sie sich also daheim befand?“
    „Daheim“, nickte Rebekka.
    „Sonderbar! Verschwinden kann ein Mensch auf einer Reise oder bei einer ähnlichen Gelegenheit; aber wenn sie zu Hause war, so ist es doch fast eine Unmöglichkeit zu nennen, wenn –“
    „Ja, ja, eine

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