41 - Unter heisser Sonne
stieß ihn das Mädchen, kräftig wie ein Mann, von sich und rief:
„Fort, du Peiniger! Du wurdest erkauft, mich zu martern, und ich konnte mich nicht wehren; nun aber sind meine Beschützer, meine Freunde da, diese beiden Christen, welche mich befreien werden und – – –“
„Christen – – – Christen – – –“ schrien der Molla und der Kommandant wie mit einer Stimme.
Sie starrten uns an; dann packte mich der letztere beim Arm und fragte mich:
„Sie nennt dich einen Christen! Soll ich das glauben? Ist das wahr? Sage es bei deiner Seligkeit, ob es wahr ist oder nicht?“
„Ja, wir sind Christen“, antwortete ich. Es fiel mir nicht ein, jetzt zu leugnen.
„Christen, Christen, Giaurs, räudige Hunde in der heiligen Stadt Kaïrwan! Sie sind mit in der Moschee gewesen und haben sie geschändet! Sie sollen zerrissen werden, wie man faules Fleisch zerreißt! Ich will –“
Er eilte nach der Tür, welche noch offenstand, und der Molla folgte ihm. Sie wollten hinausrufen; aber ich war noch schneller als sie, riß sie zurück und machte die Tür zu.
„Giaur!“ donnerte mich der ‚Marschall‘ an, und „Giaur!“ schrie auch der Molla.
Ich antwortete mit der Faust. Zwei Jagdhiebe an ihre Köpfe, und sie stürzten betäubt zu Boden.
„Schnell fort, fort, fort!“ sagte Forster, indem er die ‚Rose‘ bei der Hand ergriff, um sie fortzuziehen.
„Halt!“ warnte ich. „Keine Übereilung, sonst sind wir verloren! Rahel, kennst du die Straßen der Stadt?“
„Fast alle“, antwortete sie mit vor Aufregung fliegendem Atem.
„Auch das südliche Tor, welches nach den Weideplätzen der Uëlad Selass führt?“
„Ich kenne es.“
„Geh schnell zu diesem Tor und dann weiter fort, doch langsam, damit du kein Aufsehen erregest!“
„Warum – ich – ich –“ stotterte sie.
„Fort, fort! Wir dürfen keinen Augenblick verlieren, sonst gibt's kein Gelingen!“
Forster wollte eine Einwendung machen; aber ich schob das Mädchen hinaus und hielt ihn zurück. Es gab keine Riemen oder Stricke da; darum riß ich schnell den Turban des Molla in Stücke und band und knebelte ihn und den Kommandanten damit. Dann eilten wir fort, nach dem Haus des letzteren. Ich forderte Forster auf, alles, was uns gehörte, aus unserem Zimmer zu holen, und ging nach der hinteren Ecke des Hofes, wo unsere Pferde ein Unterkommen gefunden hatten; das Riemenzeug lag dabei, und ich machte mich ans Satteln. Soldaten sahen es und kamen herbei, einige Offiziere auch. Diese fragten mich, wohin ich so schnell wolle; ich gab ihnen ausweichende Antworten. Da kam Forster; er hatte alles in den Händen. Ich nahm meine beiden Gewehre und stieg aufs Pferd; er folgte diesem Beispiel; wir ritten fort! Jetzt mochten die Militärs ahnen, daß mit uns nicht alles in Ordnung sei. Laute Rufe erschallten hinter uns; wir achteten nicht darauf und ritten zum Tor hinaus, im Schritt; draußen aber begannen wir zu traben.
Wir kannten den Weg nach dem Südtor. Als wir die vierte und fünfte Gasse erreichten, sahen wir einen Menschenknäuel in derselben. Er kam uns entgegen. Forster stieß einen Schreckensruf aus und deutete darauf hin. Ich sah Tahaf, welcher Rahel unterwegs getroffen und zum Umkehren gezwungen hatte; es waren noch zwei Tibbu bei ihm. Rahel wehrte sich; das hatte den Auflauf erregt.
„Jagen Sie mitten durch die Menge und dann zum Tor hinaus!“ forderte ich Forster auf.
„Aber Rahel – meine Geliebte!“ antwortete er.
„Die bringe ich nach!“
„Die Tibbu halten sie fest!“
„Unsinn! Ich bin Old Shatterhand, wissen Sie! Gehorchen Sie! Vorwärts, schnell!“
Diese Worte wirkten; er jagte in den Menschenhaufen hinein und ritt mehrere Personen nieder. Tahaf erkannte ihn.
„Ein Christ, ein Christ!“ brüllte er, indem er vor Überraschung Rahel losließ.
Das benutzte ich und trieb mein Pferd zwischen ihn und sie. Da sah er auch mich und schrie:
„Zwei Christen, zwei Christen! Haltet sie! Tötet sie!“
Seine Tibbu stimmten ein. Ich bückte mich vom Pferd, faßte Rahel mit der rechten Hand, schwang sie zu mir herauf und jagte fort. Hinter mir ertönte ein wütendes Geheul, welches mir nun vollständig gleichgültig war. Mein Pferd flog die Straße hinab, durch die folgende auch und dann zum Tor hinaus. Dort ereilte ich Forster.
„Gott sei Dank; Sie haben sie!“ rief dieser.
„Keine Worte jetzt“, antwortete ich. „So schnell wie möglich zu den Uëlad Selass!“
Nach fünf Minuten war die
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