Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
41 - Unter heisser Sonne

41 - Unter heisser Sonne

Titel: 41 - Unter heisser Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
ihn holen zu lassen, und ihn mir dann zeigen.
    „Ich muß ja selbst nach El Chalîl“, fiel ich da ein. „Ich will meiner Frau das Grab Abrahams und den berühmten Hain Mamre zeigen, wo die drei Engel dem Patriarchen erschienen sind.“
    Da rief er fröhlich aus: „So begleite ich euch, wenn ihr es erlaubt! Ich habe dort soviel Wichtiges und soviel Dringendes zu tun, daß ich, nun der Gedanke einmal da ist, am liebsten gleich morgen reisen möchte.“
    „Das können wir ja! Uns ist jede Zeit recht, die dir paßt!“
    „Wirklich? Auch morgen schon?“
    „Ja.“
    „Und darf ich Thar mitnehmen, meinen Sohn, für den es die größte aller Wonnen sein wird, mit euch und mir in einem schönen Wagen zu sitzen und in die unbekannte Welt hinauszufahren? Er ist nach dieser Richtung hin nicht weiter als nur bis Bethlehem gekommen.“
    „Wenn es dir recht ist, so haben auch wir nichts dagegen, daß er uns begleite.“
    „Gut, so sei es beschlossen, wir fahren; den Wagen besorge ich! Und da euch euer Weg jetzt an meinem Haus vorüberführt, so ersuche ich euch, für einige Augenblicke bei mir einzukehren. Ihr sollt die Freude sehen, die ihr dem Knaben durch diese eure Erlaubnis bereitet.“
    Es wurde vollständig dunkel, ehe wir an dieses Ziel gelangten. Mustafa Bustani klopfte an das von innen verriegelte Tor. Schlürfende Schritte nahten; die schwarze Köchin kam uns zu öffnen. Sie hatte eine orientalische Windlaterne in der Hand, bei deren Schein wir sahen, daß sie ihre ganze Gestalt in ein ursprünglich weißes Laken gehüllt hatte, welches jetzt aber so voll blauer, grüner, roter und gelber Wischflecke war, daß man den ursprünglichen Untergrund fast gar nicht mehr erkennen konnte.
    „Maschallah! Wie siehst du aus?“ rief der Hausherr, als er das sah.
    „Das ist die Kunst!“ antwortete sie stolz, indem ein höchst befriedigtes Grinsen ihr Gesicht fast um das Doppelte verbreiterte.
    „Die Kunst? Wieso?“
    „Wir malen!“
    „Was?“
    „Das Rote Meer. Wir haben gleich nach dem Mittagessen angefangen und sind noch nicht ganz fertig.“
    „Du – – – du malst mit?“ fragte er, indem gewisse, nicht ganz frohe Ahnungen in ihm aufstiegen.
    „Ja, ich!“ versicherte sie im Ton sehr hoch gestiegener Selbstzufriedenheit. „Der ‚Auserwählte‘ malt nur das Wasser, die Luft und die Sonne; ich aber male das grüne Land; das bringt er nicht fertig.“
    „Das grüne Land? Worauf malt er denn? Hoffentlich doch nur auf Papier?“
    „Auf Papier? O nein! Das wäre doch viel zu klein. Wir malen auf die Wand.“
    „Auf die Wand? Wo denn?“
    „Im Gartenhaus!“
    „Allah, Allah! Im Gartenhaus! An die Wand! Das ist ja fürchterlich! Was werde ich da sehen! Ich muß gleich hin, sofort, sofort!“
    Er eilte vom Tor weg, unter dem er bisher gestanden hatte. Daher sah uns die Köchin erst jetzt. Sie leuchtete uns an und erkannte mich.
    „Der Effendi!“ rief sie aus. „Schon heut'! Der ‚Auserwählte‘ sagte doch, daß du erst morgen kommen werdest! Eile und folge mir! Du darfst es sehen; das hat der ‚Auserwählte‘ gesagt. Aber dem Herrn ist es noch verboten. Wir müssen ihm schnell nach. Er darf nicht hinein!“
    Sie trabte mit ihrer Laterne von dannen. Wir folgten langsamer. Es war nicht weit, kaum zwanzig Schritte. Das Wohnhaus lag in der Mitte des Gartens, das Gartenhaus aber an der Gartenmauer. Mustafa Bustani war nicht mehr einzuholen. Er hätte sich auch nicht abhalten lassen, die Stätte, in der die ‚Kunst‘ jetzt weilte, zu betreten. Ich kannte sie. Ich war oft in dem Häuschen gewesen. Es bildete ein Quadrat, die Türseite nach dem Garten, die anderen drei Seiten ohne Fenster, also mit keinem Blick in die Außenwelt, elfenbeingelblichweiß gestrichen und mit goldenen Koransprüchen verziert. Es hatte in dieser seiner Abgeschlossenheit, Sauberkeit und künstlerischen Ruhe und Bescheidenheit stets einen wohltuenden, besänftigenden Eindruck auf mich gemacht. Und jetzt?
    Jetzt war die Tür weit aufgerissen. Vor ihr stand Mustafa Bustani. Er war noch nicht eingetreten, weil sein Sohn sich dagegen sträubte. Von der Decke hing eine Ampel, deren Lampe mit heller Flamme brannte. Im Innern sah man den Künstler, dessen Gestalt und Hemd nicht mehr in zwei, wie am Vormittage, sondern in vier Farben getaucht erschien, nämlich in azurnes Blau, in giftiges Grün, in leuchtendes Gelb und in glühendes Rot. So intensive, schreiende Farben regen auf, zumal, wenn man künstlerisch zart besaitet ist. Was

Weitere Kostenlose Bücher