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41 - Unter heisser Sonne

41 - Unter heisser Sonne

Titel: 41 - Unter heisser Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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und so erzählte er: „Du weißt, Effendi, daß mein Bruder verstoßen wurde, weil er Christ geworden war, und daß wir alle seine Aussöhnungsversuche zurückwiesen, weil er sodann noch gar eine Christin zur Frau genommen hatte. Hierauf ist er verschollen. Niemand konnte erfahren, wohin er sich dann später gewandt hat. Aber du weißt nicht, daß die Verstoßung die vollständige Enterbung zur Folge hatte und daß er alles verlor, worauf zu rechnen er ein ebenso großes Recht besaß wie ich selbst. Ich wurde der einzige Erbe; er aber war arm, arm wie ein Bettler!“
    „Eine Folge eurer Gesetze und der herrschenden Familienrechte“, versuchte ich zu entschuldigen.
    „Du bist Christ und denkst also anders, als du mir zuliebe sprichst!“ wies er mich zurück. „Ich fühlte jahrelang keine Spur der Ungerechtigkeit, die wir gegen ihn begangen hatten. Besitz und Religion sind doch ganz verschiedene Dinge. Darf ich etwa aus der Reihe der Gläubigen gestoßen werden, wenn sich mein Reichtum in Armut verwandelt? Nein! Ebensowenig darf man mich aus dem Kreis der Besitzenden stoßen, weil ich nicht Moslem bleiben, sondern Christ werden will. Dieser Gedanke aber ist nicht von mir, sondern er kam von meinem Weib. In ihrem Herzen wohnte eine Liebe und eine Güte, die es in dem meinigen nicht gab. Diese ihre Güte begann eine schwere, schwere Arbeit an mir, aber sie gelang. Meine Härte wurde weicher, immer weicher, und als sie starb, die Mutter meines Sohnes, starb sie als Siegerin. Ich versprach ihr, meinen Bruder aufzusuchen und alles, was ich besitze, mit ihm zu teilen. Sie dankte mir, segnete mich, schloß die Augen und – – – und – – – verschied.“
    Er verhüllte das Gesicht mit den Händen und schwieg eine Weile, um seine Bewegung zu meistern; dann fuhr er fort: „Ich suchte und ließ suchen, doch vergebens. Der Bruder war verschwunden. Ich dachte stets, stets an ihn, fast ebensooft wie an sie, deren Tod mir mehr genommen hat, als du, Effendi, wahrscheinlich denkst. Mir kam die Frage, ob mein Bruder wohl gar gestorben sei und ob er und sie sich jenseits dieses unseres Lebens finden, sehen und sprechen. In solchen Gedanken grübelte ich. Mit ihnen wachte ich, und mit ihnen schlief ich ein. Da, am fünfzehnten Tage des Monats Adar, träumte mir, daß ich in der Moschee knie und bete. Da öffnete sich die Kibla (Gebetsrichtung nach Mekka) der Heiligkeit und mein Bruder erschien und forderte mich auf, mir zu merken, was er mir sage. Und das lautete: ‚Ich bin gestorben, aber ich lebe. Nicht ihr habt mir, sondern ich habe euch zu verzeihen. Ich werde dir diese meine Verzeihung senden. Sie naht von Osten her. Schau täglich nach ihr aus und mach' an ihr wieder gut, was ihr an mir verbrochen habt!‘ So lauteten seine Worte. Dann verschwand er. Die Kibla schloß sich wieder, und ich erwachte aus dem Traum. Der erschien mir so deutlich und so wahr, daß ich mein Lager verließ, um mir den Tag anzumerken. Seitdem treibt es mich fast täglich hier herauf, um gegen Osten auszuschauen, ob der Traum in Erfüllung geht. In Bethanien aber verweile ich stets für kurze Zeit, um das Grab des Lazarus zu besuchen; warum, das weiß ich nicht; aber es ist mir, als ob ich mit dem Boten meines Bruders grad dort zusammentreffen werde, an keiner anderen Stelle. Was sagst du zu diesem Traum, Effendi?“
    „Nun, das, was du selbst über ihn sagst“, antwortete ich. „Dein eigenes Gefühl leitet dich da richtiger als jede, noch so klug erscheinende Auskunft, die ein anderer, also auch ich, dir geben kann.“
    „So meinst du, daß ich meine täglichen Spaziergänge nach dieser Stelle hier herauf fortsetzen soll?“
    „Werden sie dir durch irgend jemand oder durch irgend etwas verboten?“
    „Nein.“
    „So ist auch kein Grund vorhanden, sie zu unterlassen.“
    „Ich danke dir! Erst wurde es mir schwer, zu euch von dieser Angelegenheit zu sprechen; nun ich es aber getan habe, fühle ich, daß mir das Herz davon leicht geworden ist. Doch kommt! Es beginnt zu dämmern. Wir müssen gehen, sonst überrascht uns die Dunkelheit noch unterwegs.“
    Er stand auf, und wir folgten diesem seinem Beispiel. Er hatte recht; der Abend senkte sich hernieder, und so beeilten wir uns heimzukommen.
    Hierbei teilte er uns im Gehen mit, daß er inzwischen geschäftlich für uns besorgt gewesen sei. Er wisse in El Chalîl (Hebron) einen köstlichen Paschasattel, der aus Arabien stamme und verkauft werden solle. Er werde einen Boten senden,

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