41 - Unter heisser Sonne
möglichst einen, der kein Christenfresser ist.“
„Da gibt es nur einen, und den werde ich kommen lassen. Es tut mir leid, daß grad heute ein solcher Tag des Hasses ist und daß man der Dame nicht einmal gestattet hat, sich auch nur das Äußere der Moschee anzusehen. Ich habe es aber stets gesagt und sage es auch jetzt wieder: Wäre der Glaube dieser Leute rein und edel, so hätten sie nicht nötig, ihre Heiligtümer vor anderen zu verbergen!“
Er entfernte sich, um nach dem Eselstreiber zu senden. Thar aber zog sein Merkbuch hervor, um sich die letzten Worte des Juden zu notieren. Sie erschienen ihm wichtig genug, behalten zu werden. Der Hammahr (Eselstreiber) stellte sich in kurzem ein, um unsere Bedingungen zu hören. Er sah mürrisch aus, war aber ein gutmütiger und gar nicht ungefälliger Mensch. Pferde hatte er überhaupt nicht, Esel waren nicht mehr zu haben; man hatte sie des Festes wegen schon Tage vorher bestellt. Aber es gab drei Maulesel, die er uns bringen konnte. Er war ehrlich genug, uns zu sagen, daß sie nicht zum Reiten, sondern nur zum Karrenziehen berufen seien, und daß besonders einer von ihnen einen sehr störrischen Charakter habe; aber wir mußten froh sein, daß diese lieben Tiere grad noch zu haben waren, schlossen mit dem Mann ab und forderten ihn auf, sie ohne Verzug zu holen.
Wenn der Orientale und zumal der Hammahr verspricht, ohne Verzug zu erscheinen so meint er damit, daß er in einer oder gar erst in zwei Stunden kommen werde. Dieser aber war brav; er stellte sich schon nach einer halben Stunde ein, und er wäre sogar schon eher gekommen, wenn er es nicht für notwendig befunden hätte, seine Maulesel vorher etwas herauszuputzen. Ich will sie nicht beschreiben, sondern nur einfach eingestehen, daß ich bei ihrem Anblick einen nicht geringen Schreck bekam. Sie bestanden aus Haut und Knochen, waren wohl monatelang weder gewaschen noch geputzt und gestriegelt worden, und das, was wir als Sattel- und Riemenwerk betrachten sollten, war lauter zusammengesuchtes Zeug, welches aber nicht zusammenpaßte. Besonders war der Damensattel ein Produkt so kühner und gedankenvoller Improvisation, daß ich dem Hammahr für diese Leistung der freien, künstlerischen Erfindung gleich im voraus ein Extrabakschisch in die Hand drückte, eine Tat, für die er mich seiner ewigen Liebe, Treue und Ergebenheit versicherte.
Ganz selbstverständlich ließen wir die armen Tiere schleunigst füttern. Sie fraßen alles Genießbare, auch alles Brot, das sich in Eppsteins Haus befand, und waren dann noch immer nicht satt. Das schönste an ihnen waren ihre Namen. Das meinige hieß Güwerdschina; das bedeutet zu deutsch ‚Die Taube‘. Natürlich hatte ich mir grad dasjenige gewählt, welches als störrisch bezeichnet worden war. Und es traf ein: Wir sollten unsere Freude an ihm haben und zwar in bösem, wie dann auch in gutem Sinne. Als wir nämlich bezahlt hatten und aufstiegen, um fortzureiten, stellte sich heraus, daß Güwerdschina nicht mitmachen wollte. Sie war nicht von der Stelle zu bringen. Ich wendete alle meine Reitkünste an; der Hammahr selbst machte den Versuch, und die Bediensteten Eppsteins taten dasselbe, doch vergebens. Sie kannten übrigens das Vieh und versicherten, daß es sich lieber totschlagen lasse, als auch nur zwei Schritte von der Stelle gehen werde. Was sollte ich tun? Zu Fuß gehen wie der Hammahr? Nein! Ich stieg wieder auf und befahl ihm, Güwerdschina zu führen. Da ging sie nämlich mit. Ich hoffte sie draußen, wenn wir die Stadt hinter uns hatten und uns auf freiem Feld befanden, zu Verstand bringen zu können – und das gelang mir auch, aber nicht ganz. Gute Worte und Liebkosungen halfen nichts, Schläge noch weniger. Da versuchte ich es mit dem Daumen, den ich der ‚Taube‘ zwischen die ersten Rückenwirbel grub, von der Seite her natürlich. Da schoß sie vorwärts und gehorchte einige Zeit, aber ja nicht allzulange; dann war ich gezwungen, das Experiment von neuem anzuwenden. So quälte ich mich mit dem bockbeinigen Tiere während des ganzen Weges, der eine halbe Stunde lang zwischen Gärten nach der Eiche führt, von der man behauptet, daß sie aus der Zeit des ersten Patriarchen stamme. Dies ist eine Übertreibung. Sie gehört zur Gattung Quercus ilex pseudococcifera, hat unten einen Umfang von ungefähr zehn Metern und teilt sich vier Meter hoch in mehrere ungeheure Äste, die zum großen Teil bereits abgestorben sind. Der Baum, der schon im sechzehnten
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