41 - Unter heisser Sonne
uns.“
Er bekam, was er wünschte, setzte sich zu uns und fuhr fort: „Zunächst habe ich euch zu sagen, daß ich aus sämtlichen Klubs der Löwen, der Elefanten, der Nilpferde und der Walfische austrete, solange sich Schamah in Jerusalem befindet. Drum bin ich jetzt weiß angezogen, um von Klub zu Klub zu gehen und zu melden, daß ich mit Bestien nicht mehr verkehren darf, wenigstens für einstweilen. Schamah ist fein, und wenn ich nicht auch fein bin, muß ich mich schämen. Sie sagt gar zu leicht ‚Pfui!‘. Und sodann müßt ihr erfahren, daß sie schon heute nach Jerusalem kommt.“
„Woher weißt du das?“ fragte ich.
„Das weiß ich von der Verschwörung.“
„So gibt es eine Verschwörung?“
„Ja“, nickte er wichtig.
„Wer hat sich verschworen?“
„Ich.“
„Mit wem?“
„Mit dem Hammahr.“
„Ah, gestern?“
„Ja. Und darum borgte ich mir von dir die zwanzig Franken. Hier sind sie wieder. Ich danke dir!“
Er zog zwei goldene Zehnfrankstücke aus der Tasche und legte sie auf den Tisch. Ich aber nahm sie nicht weg, sondern sagte: „Ehe ich sie zurücknehme, muß ich wissen, um was es sich handelt. Ich habe sie dir nicht geborgt, sondern geschenkt.“
„Du irrst!“ sagte er ernst. „Ich bettle nicht, sondern ich borge. Schamah und ihre Mutter sind arm, sehr arm. Sie haben zuweilen nicht genug zu essen; das habe ich herausgehört, ohne zu fragen. Ich aber bin reich, und ich bin ihr Freund. Darum habe ich im Hospiz für sie bezahlt, ohne daß sie es wissen, und darum bringt der Hammahr sie heute nach Jerusalem, natürlich auf besseren Eseln, als die gestrigen waren; sie aber erfahren nicht, daß ich es bin, der es bezahlt. Sie glauben, das werde ihnen vom Hospiz aus geschenkt. Sie reiten, wenn sie hier ankommen, gar nicht in die Stadt herein, sondern sie biegen nach rechts in das Tal Hinnom ein und an dem Ölberg hinauf nach Bethanien, zu meinem Freund Abd en Nom.“
„Wer ist Abd en Nom?“
„Der Vater des größten Walfisches, den wir haben, und des schwersten Nilpferdes, das es gibt. Er beherbergt Pilger. Jetzt steht sein Haus ganz leer, und Schamah hat mit ihrer Mutter mehr Platz, als sie braucht. Sie wird auch dort essen. Sie glaubt natürlich, sie sei vom Hospiz dorthin empfohlen. Abd en Nom hat mich gern. Ich gehe auch mit zu ihm, um alles vorzubereiten.“
„Und zu bezahlen?“
„Ja. Aber ich bitte euch das ja nicht zu verraten. Schamah und ihre Mutter dürfen es niemals erfahren!“
„Weiß es dein Vater?“
„Nein.“
„Aber, mein Junge, das kostet ja Geld!“
„Das habe ich!“ lachte er fröhlich auf.
„Von wem?“
Da wurde er schnell wieder ernst und antwortete: „Von Mutter, ehe sie starb. Die hat das Geld verborgt, und ich bekomme monatlich die Zinsen. Vater zahlt sie mir aus, denn er ist der Verwalter. Ich darf das Geld nicht behalten; ich bin gezwungen, es auszugeben, aber nicht für mich, sondern für arme, alte, kranke Leute, die sich in Not befinden. So hat es Mutter gewollt und Vater muß mich machen lassen, was ich will. Er darf nur dann dreinreden, wenn er erfährt, daß ich das Geld anders verwende, als sie es mir befohlen hat. Aber das ist noch nie geschehen, denn ich habe Mutter lieb und denke bei jedem Piaster, den ich ausgebe, ob sie es wohl auch wie ich oder anders machen würde. Zwar habe ich mir gestern die zwanzig Franken von dir geborgt, ohne die Mutter vorher in meinem Innern zu fragen; aber das habe ich gestern abend, ehe ich einschlief, und heute früh, als ich erwachte, nachgeholt, und nun weiß ich ganz genau, daß sie mit mir einverstanden ist und sich über Schamah und ihre Mutter freut. Wirst du nun das Geld zurücknehmen, Effendi?“
„Ja“, antwortete ich und steckte es ein.
Meine Frau füllte ihm zum Lohn für seine Seelengüte die Tasse zum zweitenmal. Er nahm einen Schluck und sprach weiter: „Ich werde mich ihrer sehr ernstlich annehmen. Ich führe sie an alle heiligen Orte, auch nach Bethlehem hinüber und wohin sie überhaupt wollen. Und wißt ihr, warum ich das tue?“
„Aus Mitleid“, sagte meine Frau.
„Ja, das dachte ich erst auch; aber als ich heute früh in mich hineinschaute, wie ich es immer mache, wenn ich an Mutter denke, da war es kein Mitleid, sondern etwas ganz anderes. Nur weiß ich nicht, wie ich es nennen soll, denn es ist in mir noch niemals dagewesen. Es ist fast wie eine Pflicht und doch auch wieder wie keine, aber jedenfalls etwas, was man sehr gern tut. Daß ich für Schamah und
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