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41 - Unter heisser Sonne

41 - Unter heisser Sonne

Titel: 41 - Unter heisser Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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werden.“
    „Und wo befinden sich jetzt die Helden alle?“ fragte ich.
    „Das sollst du gleich hören!“
    Er ging bei diesen Worten nach der Tür und gab einen Wink hinaus. Sofort erhob sich ein wenigstens fünfzig- bis sechzigstimmiges ‚Triumphgeheul‘, welches von wirklichen Löwen, Elefanten, Nilpferden und Walfischen gewiß auch nicht natürlicher und schrecklicher hätte zu Gehör gebracht werden können.
    „Allah erbarme sich!“ rief ich ihm zu. „Laß es genug sein! Halt auf! Halt auf!“
    Er winkte wieder; da war es still. Aber sehen konnte man nicht, wo die Bestien steckten.
    „Das war ausgemacht“, sagte er. „Einmal mußte ich sie brüllen lassen, nur ein allereinziges Mal! Jetzt haben sie ihren Willen gehabt und werden es nicht wieder tun. Wollen wir nun zum Grab gehen, um zu photographieren?“
    Wir waren einverstanden, denn die Sonne stand schon tief, und für später ließ sich kein gutes Bild mehr erwarten. Er ging mit Schamah voran; deren Mutter aber bat, für diesmal bleiben zu dürfen; sie müsse sich, bevor es dunkel werde, die Zimmer wohnlich machen. Dieser Wunsch war ein so natürlicher, daß er sich ganz von selbst verstand. Wir folgten also, ohne sie mitzunehmen, den beiden Kindern nach und stellten den Apparat so auf, daß er grad auf den Eingang zum Grab gerichtet war. Wir glaubten, es sei niemand drin. Da sahen wir den Wärter des Grabes, der von innen unter die Tür trat, den Arm abwehrend emporhob und uns zurief: „Jetzt nicht, jetzt nicht! Jetzt ist es verboten, denn es ist ein Moslem drin, ein Anhänger des Propheten!“
    Aber schnapp! ließ meine Frau nun grad erst recht die Leitung wirken. Eben wollten wir nun wieder einstellen, da ließ sich der ‚Anhänger des Propheten‘ sehen, der sich im Grab befunden hatte. Er kam heraus und eilte, als er uns erkannte freudig auf uns zu. Es war Mustafa Bustani, unser Freund.
    „Wie recht, wie recht, daß auch ihr euch hier befindet!“ sagte er. „So gehen wir zusammen wieder über Kafr et Tur nach Hause, genauso wie gestern! Und auch du?“ fragte er seinen Sohn. „Und wer ist dieses kleine, liebe Kind?“
    Er bog sich zu Schamah nieder. Sie stand mit weit geöffneten, großen, glänzenden Augen da. Ihr Gesichtchen strahlte vor Wonne. Sie hob die kleinen Arme, um von ihm emporgenommen zu werden, und jubelte laut: „Mein Vater! Mein Vater!“ Hierauf schlug sie die Händchen entzückt zusammen und fuhr fort: „Die Mutter hat es gesagt! Die Mutter hat es gesagt!“
    „Welche Mutter? Was hat sie gesagt?“ fragte Mustafa Bustani, der nicht ahnte, daß dieses Kind die gestern gefundene ‚neue Freundin‘ seines Sohnes war.
    „Daß wir zum Grab des Lazarus gehen, hat Mutter gesagt“, antwortete Schamah, „und daß der Heiland dich dort vom Tod auferwecken werde, grad so wie einst den Lazarus.“
    „Mich – –?“
    „Ja, dich, meinen Vater!“
    Da wendete er sich an uns.
    „Sie hält mich für ihren Vater! Sonderbar! Wer ist das Kind?“
    „Ich bin Schamah, die Verzeihung, und dort im Haus befindet sich die Mutter. Nimm mich doch auf den Arm wie immer und trage mich zu ihr!“ bat das Mädchen, die Arme wieder zu ihm hebend.
    Da entfärbte er sich. Er wurde leichenblaß, wich einige Schritte zurück und fragte, indem seine Stimme stockte: „Schamah – die Verzeihung –! Wohl das kleine Mädchen von gestern?“
    Diese Frage war an seinen Sohn gerichtet.
    „Ja, sie ist es“, nickte dieser.
    „Meine Ahnung – meine Ahnung –! Weißt du, wie ihr Vater heißt?“
    Da antwortete das Mädchen an des Knaben Stelle: „Mein Vater bist doch du! Du heißt Achmed Bustani. Kennst du mich vielleicht nicht mehr? Da muß ich weinen! Nimm mich und trag mich zur Mutter!“
    Was nun folgte, kann unmöglich beschrieben werden. Mustafa Bustani schrie laut auf und brach in die Knie zusammen. Er streckte die Arme nach dem Kind aus, zog es an sich, küßte es unaufhörlich und rief dabei: „Schamah – Schamah – die Verzeihung! Wie hat er gesagt – – als er mir im Traum erschien –? Ich werde dir meine Verzeihung senden – sie naht von Osten her – schau täglich nach ihr aus! Das habe ich getan, und sie ist gekommen – sie ist nun da!“
    Da plötzlich sträubte sich Schamah gegen seine Liebkosungen. Sie hielt sich mit beiden Armen von ihm ab, schaute ihm prüfend in das Gesicht und sagte dann: „Es ist nicht wahr, es ist nicht wahr! Ich habe dich auch lieb; aber mein Vater bist du noch nicht ganz. Du mußt

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