41 - Unter heisser Sonne
Robert Surcouf ist ein Franzose. Ein Franzose wird nie die Achtung und Ehrerbietung verletzen, welche er Frauen schuldig ist. Darum will ich heut einmal nicht daran denken, daß Sie die Feinde meines Volkes sind, und daß mein Schiff ein Kaper ist, dem Sie verfallen sind. Was ich verlange, können Sie leicht gewähren. Ich wünsche, daß meine braven Jungens an dem Fest teilnehmen dürfen, welches Sie geben; ich wünsche ferner, daß ihnen ein Tänzchen erlaubt sei mit den Frauen, welche das Fest verschönern. Wenn Sie mir dies gewähren, so verspreche ich Ihnen, daß Ihnen kein Haar auf Ihrem Haupt gekrümmt wird, daß Sie nicht den mindesten Verlust zu erleiden haben, und daß unser geselliges Beisammensein so fröhlich enden wird, wie es begonnen hat. Surcouf hat lauter anständige Männer an Bord; der Letzte seiner Leute ist ein Kavalier. Jetzt haben Sie zu entscheiden. Tun Sie es schnell!“
Er verbeugte sich und trat einige Schritte zurück, um mit den beiden Pistolen zu spielen, welche er aus der Tasche zog. Die Männer, welche ohne Ausnahme waffenlos waren, steckten verlegen und flüsternd die Köpfe zusammen; die Weiblichkeiten aber betrachteten mit furchtsamer Neugierde den berühmten Privateer und seine Untergebenen, welche, bis an die Zähne bewaffnet, das Achterdeck von dem übrigen Räume abgesperrt hielten.
Die Beratung der Männer war bald zu Ende, und der älteste von ihnen nahm das Wort:
„Kapitän Surcouf, wir gestehen Ihnen, daß Sie uns in eine zweifelhafte Lage gebracht haben. Unsere Pflicht wäre es, mit Ihnen zu kämpfen; halt!“ – unterbrach er sich, als er sah, daß Surcouf bei dem letzten Worte die Hähne seiner Pistolen aufzog – „lassen Sie mich ausreden! Wir sollten eigentlich mit Ihnen kämpfen; aber Sie selbst sagen mit Recht, daß die Gegenwart unserer Frauen und Töchter einige Rücksicht erfordert. Es soll daher zwischen uns ein Waffenstillstand geschlossen werden, welcher bis zum Anbruch des Morgens dauert; dagegen verlangen wir jedoch, daß das uns von Ihnen gegebene Versprechen buchstäblich erfüllt werde!“
„Es wird erfüllt; ich gebe Ihnen mein Ehrenwort“, antwortete Surcouf. „Doch werden Sie mir eine notwendige Bedingung gestatten. Solange ich mich bei Ihnen befinde, darf kein Mensch ohne meine ausdrückliche Erlaubnis an Bord kommen, noch von Bord gehen oder sonst etwas unternehmen, was meine Sicherheit gefährdet und Sie dadurch in Gefahr bringen würde. Mein Schiff bleibt längsseits bei dem Ihrigen liegen, um die Erfüllung meiner Bedingungen zu überwachen, und sobald die Sonne am Horizont steht, ist der Waffenstillstand abgelaufen. Reichen wir uns als Ehrenmänner zum Zeichen des Einverständnisses die Hände!“
Diese Bedingungen wurden angenommen, und ein jeder bekräftigte durch Handschlag, sie zu halten. Nun gab Kapitän Sarald ein Zeichen, und die Musik begann aufs neue. Männer und Weiber durften das Vorderdeck wieder betreten; Freund und Feind mischte sich untereinander. Die Leute des ‚Falken‘ zeigten sich gegen die Frauen so zart und anständig, daß das Vergnügen nicht durch den geringsten Hauch getrübt wurde.
Endlich, lange nach Mitternacht, gab Surcouf während einer Pause das Zeichen, daß er sprechen wolle. Man bildete einen Kreis um ihn.
„Messieurs und Mesdames“, sagte er, „ich stehe im Begriffe, mich von Ihnen zu verabschieden. Ich danke Ihnen für die Ehre, welche Sie mir durch die Erlaubnis, an Ihrem Vergnügen teilzunehmen, erwiesen haben; noch mehr aber danke ich Ihnen dafür, daß ich nicht gezwungen worden bin, von meinen Waffen Gebrauch zu machen. Ich liebe den Frieden, doch fürchte ich den Kampf nicht.
Hätten Sie meine Vorschläge abgewiesen, so lebten viele von Ihnen nicht mehr, und dieses Schiff befände sich jetzt als meine Prise auf dem Weg nach einem französischen Hafen. Suchen Sie unter Ihren Bekannten meine Bitte zu verbreiten, mir nicht unvorsichtig zu widerstreben, wenn ich meine Flagge zeige. Das Schiff, welches ich einmal als Feind betrete, verlasse ich entweder als Sieger, oder es fliegt mit mir und seiner Bemannung in die Luft; dies ist das Geheimnis meiner Unüberwindlichkeit. England bereitet meinem Vaterland einen fortdauernden, unersetzlichen Schaden; zürnen Sie also nicht mir, wenn man Repressalien gebraucht. England hat uns die besten Schiffe unserer Marine genommen oder zerstört; verdenken Sie es nicht mir, wenn nun auch ich ein jedes britische Fahrzeug nehme, welchem ich begegne. Wir
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