41 - Unter heisser Sonne
meine Nußschale stolz sein kann, will ich Euch einmal ein Manöver von ihr zeigen, welches mir nicht leicht einer nachmachen soll.“
„Was wäre das?“
„Paßt auf!“
Er trat an die Reling, legte die Hand an den Mund und rief nach Lee hinüber, wo in einer Entfernung von vielleicht fünfhundert Faden seine Brigg lag:
„Ahoi, Ervillard!“
„Ahoi!“ antwortete es durch ein Sprachrohr von drüben herüber.
„Anker auf!“
„Aye, Sir!“
„Bei allen Stürmen“, meinte der, welcher vorhin die Begegnung mit dem ‚Falken‘ erzählt hatte, „Kapitän, Ihr habt ja eine wahre Posaunenstimme, fast wie damals Surcouf, als er mir die sechs Kugeln gab!“
Die Versammlung war im höchsten Grade begierig, was geschehen werde. Man erhob sich und drängte nach der Leeseite, um die Brigg zu beobachten. Man sah, daß sie den Anker hob und ihre Leinwand entfaltete; dann rief der Yankee:
„Mylords und Myladies, darf ich bitten, mir einmal nach dem Achterbord zu folgen! Ich kann dort am besten mein Manöver erklären.“
Sie folgten ihm ohne Ausnahme nach dem hochgebauten Hinterteil des Schiffes, so daß sich vom Spriet bis an den Besan nur die Musikanten befanden, einige Matrosen ausgenommen, welche die Gäste zu bedienen hatten; die anderen Deckhände befanden sich im Unterraum, wo sie sich heut beim Grog gütlich tun durften.
„Seht“, meinte der Yankee, „wie meine Brigg dem einen Segel gehorcht. Ein unvergleichliches Fahrzeug! Ein solcher Segler würde für Surcouf passen. Aber apropos, es wurde vorhin nicht geglaubt, daß er mit zwanzig Burschen ein Schiff mit zweihundert Mann und sechsundzwanzig Kanonen weggenommen hat. Was ist wohl schwieriger, Mylords, ein solches Schiff zu nehmen oder mitten in einem besuchten Hafen mit zwanzig Mann einen gut bewehrten Dreimaster zu entern?“
„Das letztere ist geradezu unmöglich!“ antwortete ein alter Seemann, der wohl bereits über fünfzig Jahre lang die See gepflügt hatte.
„Wirklich, Kapitän? Es soll Leute geben, die auch dieses Stück dem Surcouf zutrauen.“
„Mit zwanzig Mann?“
„Ja. Wir haben ja gehört, daß er die Gewohnheit hat, nur mit zwanzig Männern anzugreifen. Aber das sollen auch Burschen sein, die sich nicht fürchten, die Großmutter des Teufels aus der Hölle zu holen. Seht, da kommt die Brigg! Wie maliziös sie herantänzelt, gerade als ob sie sich über den mächtigen Dreimaster lustig machen wollte, der kleine David über den Goliath!“
„Aber was soll das?“ fragte Kapitän Sarald. „Was soll die Brigg so nahe bei mir?“
„Es ist das Manöver, zu welchem ich Euch hier auf dem Achterdeck versammelt habe. Seht, jetzt ist sie da; sie läßt das Segel fallen, und nun springen meine Jungens an Deck.“
„Aber ich frage noch einmal, wozu dieses Manöver? Was sollen Eure Jungens an Bord meines Schiffes?“
„Zählen Sie einmal! Es werden genau zwanzig sein. Meine Herren und Damen, ich gebe mir die Ehre, mich Ihnen vorzustellen. Ich bin kein Amerikaner, der Wein und Spiritus geladen hat. Ich habe geladen einige hundert Enterbeile, verschiedene Zentner Pulver, ein ganzes Arsenal vortrefflicher Waffen und zwanzig Kanonen, bei denen genug Leute stehen, um diesen guten Dreimaster in den Grund zu bohren. Mein Name ist Robert Surcouf!“
Es läßt sich nicht beschreiben, welche Wirkung diese Worte auf die Versammlung hervorbrachte. Die harten, unerschrockenen Männer, die so manchen Gefahren furchtlos in das Auge geschaut hatten, verstummten vor dem Namen, den sie soeben gehört hatten. Sie blieben sogar unbeweglich, als einige der Leute Surcoufs aufs schleunigste die Luken besetzten, damit die Matrosen des Kauffahrers nicht an Deck kommen könnten. Kapitän Sarald faßte sich zuerst.
„Robert Surcouf?“ fragte er. „Seid Ihr wirklich Surcouf?“
„Ich bin es. Und diese Brigg ist der ‚Falke des Äquators‘. Sehen Sie meine Leute an, Messieurs! Dieselben werden sehr höflich mit Ihnen sein, solange Sie es verdienen; an demjenigen aber, welcher zu widerstreben wagt, werden sie die Schärfe ihrer Waffen erproben. Bedenken Sie, daß Sie es mit zwanzig Burschen zu tun haben, welche nicht gewöhnt sind, ihre Feinde zu zählen, und bedenken Sie, daß hier an der Seite dieses Schiffes zwanzig Kanonen auf mein Kommando warten, dieses Schiff in den Grund zu schießen. Sie haben von Surcouf gehört, aber Sie haben ihn noch nicht gesehen; heut soll Ihnen die Ehre zuteil werden, ihn kennenzulernen. Es sind Frauen an Bord, und
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