41 - Unter heisser Sonne
Gastfreundlichkeit auf und tat es nicht anders, ich mußte in seinem Hause wohnen und wurde in demselben geradezu wie ein Sohn gehalten. Das bedeutete einen außerordentlichen Vorzug, denn er war nicht nur reich, sondern auch sehr stolz und lebte außerordentlich zurückgezogen, vielleicht auch aus dem Grund, weil die Bevölkerung von Mursuk meist aus Mohammedanern besteht, von denen der Jude bekanntlich noch viel geringer als der Christ geachtet wird. Der Moslem erklärt Christus für den größten Propheten nach Mohammed und kann es dem Juden nicht vergessen, daß seine Vorfahren Isa Ben Marryam d.i. Jesus, den Sohn Mariens, gekreuzigt haben.
Manasse war Witwer und hatte ein Kind, eine Tochter, welche Rahel hieß. Sie mochte, als ich mich bei ihm befand, fünfzehn Jahre zählen, war aber, dem südlichen Klima angemessen, körperlich und geistig nicht nur vollständig entwickelt, sondern sogar vielleicht das schönste Mädchen, welches ich jemals gesehen habe. Ihre Schönheit war weit und breit berühmt und da sie eigentlich aus Sokna stammte, woher ihr Vater vor einigen Jahren nach Mursuk gezogen war, so wurde sie allgemein die ‚Rose von Sokna‘ genannt.
Ich hatte schon unterwegs, als ich in Sokna einen Tag ruhte, von ihr gehört und will aufrichtig gestehen, daß ich neugierig war, zu sehen, ob sie diesen Namen wirklich verdiene. Und ja, sie trug ihn mit vollem Recht. Als ihr Vater mich zu ihr führte, fanden wir sie auf einem rotsamtenen Polster liegen, welches sich rundum an die vier Wände des Gemaches schmiegte. Sie trug eine weite, weißseidene Frauenhose, welche mit goldenen Spangen an die feinen Knöchel befestigt war und um die Hüften von einem blaßblauen, reich in Gold gestickten Gürteltuch festgehalten wurde. Die nackten, rosig schimmernden Füße steckten in niedlichen, violettseidenen Pantöffelchens. Um den Oberkörper schloß sich eine eng anliegende dunkelblauseidene Jacke, welche anstatt der Knöpfe von schwergoldenen Ketten zusammengenestelt war. Das blauschwarze, dichte Haar hing in langen, schweren Zöpfen weit herab; Nadeln mit großen, silbernen Knöpfen glänzten in demselben, und über die Stirn breitete sich ein loses Diadem von Goldstücken verschiedener Größe. An den kleinen Händen funkelten Ringe von gewiß sehr hohem Wert.
Das aber war es nicht, was mir imponieren konnte. Es gibt verschiedene Arten von Reichtum. Man kann reich sein an Erfahrung, an Ehren, an Bildung – auch an Geld, und dieser letztere Reichtum hat an sich keinen Wert für mich. Aber dieses Gesicht! Ich unterlasse es, dasselbe zu beschreiben, denn was ich erzähle, soll keine Liebesgeschichte sein, doch auf diesen prächtig gezeichneten Lippen lagerte der Ausdruck stolzer Reinheit und weiblicher Güte, und aus den mandelförmig geschnittenen, großen, dunklen Augen leuchtete ein ruhiger, offener, selbstbewußter Blick, welcher erkennen ließ, daß die ‚Rose von Sokna‘ auch in Beziehung auf ihren Geist und ihr Gemüt mehr als ein gewöhnliches Mädchen sei.
Sie erhob sich bei unserem Eintritt und sah mich forschend an. Vor diesem Auge, wie sie es so auf mich richtete, konnte sich gewiß kein unedler Charakter verbergen.
„Das ist der deutsche Effendi, dessen Ankunft mein Geschäftsfreund in Tripolis mir gemeldet hat“, sagte ihr der Vater.
Da reichte sie mir die Hand und sprach:
„Du bist uns sehr willkommen, Effendina. Der Brief, welchen wir erhielten, hat uns viel von dir erzählt. Wir erfuhren, daß du weit über die Erde gewandert bist und weit mehr erlebt und erfahren hast, als viele andere Menschen. Ich habe mich auf dein Kommen gefreut, denn wir leben hier sehr einsam, weil wir niemand haben, dem wir Freund sein möchten. Bleib recht, recht lange in unserem Haus, dessen Wirtin ich bin! Ich werde mich bemühen, daß es dir bei uns gefallen möge.“
Ich wurde du genannt, weil wir arabisch sprachen. Ihr Wunsch ging in Erfüllung: Es gefiel mir außerordentlich bei Manasse Ben Aharab und seiner Tochter. Er tat alles mögliche, mich zu halten, und sie war trotz ihrer Jugend eine vortreffliche Wirtin, wie ich sie hier in der afrikanischen Oase nicht gesucht hätte.
Ich kam aus der Heimat, war vorher in Nordamerika gewesen und wollte nun tief in die Sahara hinein. Das durfte nicht plötzlich geschehen, wenn ich nicht meine Gesundheit schädigen wollte. Ich mußte, wie der Kunstausdruck ja lautet, mich trainieren und erst kurze und dann immer weitere Ausflüge unternehmen, um mich wieder an das
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