41 - Unter heisser Sonne
bin nicht furchtsam, Effendi, und da du bei mir bist, habe ich erst recht keine Angst.“
„So wollen wir erst seitwärts reiten, um eine Stelle zu suchen, wo wir unsere Pferde lassen können.“
Ein solcher Ort war bald gefunden. Wir kamen an die Felsenhügel, welche die Nordseite des Wadi bildeten und fanden einige große Steine, an welche wir die Pferde banden. Hierauf unterrichtete ich den Uëlad Sliman eingehend, wie er sich zu verhalten hatte, und dann schlichen wir uns, ich voran und er hinter mir, nach dem Lagerplatz der Tibbu hin. Als wir nahe genug gekommen waren, legten wir uns nieder, um den weiteren Weg kriechend zurückzulegen.
Zu unserem Vorteil war das Feuer nur klein; es leuchtete nur wenige Schritte weit und war doch hell genug, den Schein der Sterne unwirksam zu machen. Erwähnt muß werden, daß wir unsere hellen Haïks (Mäntel) im Duar zurückgelassen hatten; nun waren unsere Anzüge so dunkel, daß sie nicht von dem Erdboden unterschieden werden konnten.
Der Lagerplatz hatte die nach außen offene Form eines Hufeisens. Hinten gab es Wasser; weiter vorn brannte das Feuer, um welches sich die Tibbu gesetzt und gelegt hatten. Außen, vor dieser Bucht, lagen die Kamele. Diese Halbrundung war mit Büschen besäumt, welche aber so dünn standen und so wenig Laub hatten, daß sie uns keine Deckung gewährten. Uns in die Bucht hineinzuschleichen, war also leider nicht möglich. Aber da, wo sie auf unserer Seite begann, sich einwärts zu biegen, gab es einige große Felsstücke, hinter denen wir uns verstecken konnten. Wir erreichten sie glücklich und schmiegten uns so eng an sie, daß wir selbst dann, wenn sich ein Tedetu uns näherte, hoffen durften, nicht von ihm bemerkt zu werden.
Die Tibbu ahnten keinen Menschen in der Nähe und sprachen so laut, daß wir jedes Wort hören konnten – verstehen aber konnte ich nichts; ich beschäftigte also meine Augen mehr als meine Ohren.
Tahaf saß aufrecht am Feuer und trug seinen rechten Arm in einer improvisierten Binde. Neben ihm saß finsteren Blickes ein Mann, dessen Hände und Füße gefesselt waren. Er mochte dreißig Jahre alt sein. Sein von einem schönen, blonden Vollbart umrahmtes Gesicht war von der Sonne dunkel gebrannt. Die Farbe seiner Augen zu erkennen, war mir nicht möglich; aber ein Gesicht mit einem solchen Bart konnte nur blaue Augen haben. Wer war dieser Mann? Ein Beduine jedenfalls nicht. Wohl gar ein Europäer! Es stand sofort bei mir fest, daß ich diesen Ort nicht verlassen würde, ohne ihn befreit zu haben. Aber wie?
Die Räuber unterhielten sich, wie schon erwähnt, sehr eifrig und verzehrten dabei ihr frugales Abendessen. Dieses bestand aus Kuskussu, Mehl, welches sie mit den Fingern in kaltem Wasser einrührten und dann auch so mit den Fingern aßen. Die Gefäße, deren sie sich dabei bedienten, waren solche ausgehöhlte Kürbisschalen, wie ich heute welche von der Zeltstange geschossen hatte. Seitwärts von dem Feuer, und zwar außerhalb des Kreises, den die Tibbu bildeten, lag ein kleiner Haufen von Gegenständen, welche die Objekte ihres Gesprächs zu sein schienen. Das waren jedenfalls die Sachen, welche sie dem Gefangenen und seinen Begleitern abgenommen hatten.
Tahaf aß von demselben Gericht wie seine Leute. Den Blicken, welche er dabei auf den Blonden warf, sah ich es an, daß er vorhatte, ihn nach dem Essen ins Verhör zu nehmen; darum stieß ich meinen Gefährten an, um seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, und fragte ihn.
„Verstehst du, was sie sprechen?“
„Ja.“
„Wovon reden sie?“
„Von dem Fremden.“
„Wer ist er?“
„Sie wissen es nicht; er hat es ihnen nicht gesagt.“
„Was soll mit ihm geschehen?“
„Er gibt ein Lösegeld, wird aber trotzdem nicht freigelassen. Sagt er aber jetzt nach dem Essen nicht, wer er ist und ob er reich ist, so wird er sofort getötet.“
„Wir retten ihn!“
„Maschallah, Wunder Gottes! Auf welche Weise?“
„Ich habe keine Zeit, zu warten und zu überlegen; es gibt also nur eine Art und Weise. Ich hole ihn heraus!“
„Den Fremden?“
„Nein, denn da würde ich ihn vielleicht retten, aber sein Eigentum würde für ihn verloren sein.“
„Wen meinst du denn?“
„Tahaf.“
„Effendi, das ist wahnsinnig! Wir würden den Gefangenen nicht nur nicht befreien, sondern mit ihm verloren sein.“
„Nein. Ich weiß, wie man so etwas zu machen hat. Es ist allerdings gefährlich, höchst gefährlich, aber es wird gerade deshalb gelingen, weil
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