41 - Unter heisser Sonne
Sie hatten sich hinter ihre Zelte retiriert, welche sich bald darauf zu bewegen begannen; man brach sie also ab. Meine Strenge hatte endlich die beabsichtigte Wirkung hervorgebracht. Ich hätte freilich noch strenger sein und Tahaf erschießen können, wenn mir ein Menschenleben weniger gegolten hätte.
Ich spielte trotz alledem ein gewagtes Spiel. Meine Gegner waren nicht nur wilde Tibbu, sondern die brutalsten Mohammedaner, die es nur geben kann; dazu kam, daß ich ihren Anführer verwundet hatte. Es war fast ein Mirakel zu nennen, daß sie nicht trotz meines vielschüssigen Gewehres herübergerannt kamen, um mich umzubringen. Mein Verhalten gegen ihren Boten mußte einen solchen Eindruck auf sie hervorgebracht haben, daß sie sich doch vor mir, dem einzelnen Mann, fürchteten.
Das war mir aber noch nicht genug; die augenblickliche Angst konnte schwinden, so daß sie den Angriff auf mich doch noch versuchten; ich mußte sie in Atem halten, indem ich noch eines ihrer Kamele erschoß. Sie brauchten ihre Tiere so notwendig, daß sie dann gewiß kein weiteres meinen Kugeln aussetzten. Ich wartete also nur noch ein oder zwei Minuten und gab dann den nächsten Schuß ab, welcher sein Ziel so genau wie die vorigen traf.
Als das Kamel niederstürzte, antwortete abermals ein vielstimmiger Schrei; dann wurde es für kurze Zeit sehr ruhig; man schien zu beraten. Hierauf trat ein Tedetu hinter dem Zelt hervor, hob wie abwehrend oder bittend die Arme in die Höhe und rief aus:
„Halt ein! Schieß nicht mehr! Wir reiten fort.“
„Aber schnell, sonst schieß ich dennoch!“ antwortete ich, indem ich das Gewehr im Anschlag behielt.
Jetzt arbeiteten sie außerordentlich schnell an dem Niederlegen der Zelte und dem Zusammenbinden der Leinwand und der Stangen. Dabei konnten sie sich nicht verstecken; sie mußten sich sehen lassen, so daß es mir leicht gewesen wäre, noch einige von ihnen zu erschießen. Das tat ich natürlich nicht; ich war vielmehr froh, daß sie nichts Feindseliges gegen mich unternahmen. Ich stand zwar im Innern des Zeltes, aber der Lauf meines Gewehres, welcher aus demselben hervorragte, mußte ihnen die Stellung, welche ich einnahm, verraten, so daß es jedem von ihnen leicht gewesen wäre, mich aus einem verborgenen Hinterhalt aus mit seiner Kugel zu treffen. Doch wagte keiner, dies zu tun, ein sicheres Zeichen des Respektes, in welchen ich mich bei ihnen gesetzt hatte.
Nach kurzer Zeit waren sie fertig und beluden ihre Kamele mit den Zeltteilen und sonstigen Gerätschaften, worauf sie aufstiegen und davonritten. Tahaf war der letzte von ihnen. Ich sah, daß er sich seinen zerschossenen Ellbogen hatte verbinden lassen. Wegen dieser Verwundung konnte er nicht ohne Hilfe in den Sattel steigen; er mußte sich dabei unterstützen lassen. Als er oben saß, drehte er sich nach dem Zelt, in dem ich mich befand, um, erhob den unverletzten linken Arm, machte eine Faust und rief in drohendem Tone zu mir herüber:
„Allah rhinalek – Gott verfluche dich! Wir müssen jetzt weichen; aber wir sehen dich wieder, und dann werde ich mit dir Abrechnung halten!“
„Schieß ihn nieder, Sihdi“, forderte Ali mich auf.
„Nein“, antwortete ich, indem ich das Gewehr senkte, welches ich bis jetzt oben gehabt hatte.
„Warum nicht? Er hat dich bedroht!“
„Drohungen schaden nichts.“
„Er wird sie aber ausführen!“
„Das wird ihm nicht gelingen.“
„Effendi, sei nicht allzu zuversichtlich!“ warnte mich der Scheik. „Kennst du diese Tibbu genau?“
„Ich kenne sie.“
„So mußt du wissen, daß dieser Tahaf nicht ruhen wird, bis er sich gerächt hat!“
„Seine Rache erreicht mich nicht!“
„O doch! Wenn du so unbesorgt bist, wird sie dich ganz sicher treffen. Weißt du, was du vergossen hast?“
„Sein Blut.“
„Ja, sein Blut. Und kennst du das Gesetz der Rache?“
„Ich kenne es.“
„So sag, wie es lautet!“
„Es heißt: Ed dem b'ed dem, en nefs b'en nefs – Blut um Blut, Gleiches mit Gleichem.“
„Richtig! Er wird dein Blut von dir fordern. Soll ich dir sagen, welchen Plan er haben wird?“
„Nein, denn ich weiß es, ohne daß es mir gesagt wird.“
„Nun?“
„Er wird uns heut in der Nacht überfallen wollen.“
„Ja, diesen Vorsatz hat er ganz gewiß gefaßt. Wir müssen uns auf einen Angriff vorbereiten. Am besten ist's, wir brechen unsere Zelte auch ab und entfernen uns, bis die Tibbu diese Gegend verlassen haben.“
„Das ist nicht nötig.“
„Nicht?
Weitere Kostenlose Bücher