42 - Die Trommeln von Scorpio
trug. Wenn er an eine Tür kam, die er aufziehen mußte, ölte er vorher sorgfältig die Angeln. So konnte er sie lautlos öffnen. Er wurde von irgendeinem krabbelnden Monsterkäfer verschlungen, als er einen Raum betrat, dessen Tür er aufdrücken mußte.
Schon an der ersten Tür hatte ich das Gefühl, mich auf vertrautem, wenn auch häßlichem Gebiet zu befinden. Der Standardprozedur zufolge lauschte man, roch, verhielt sich still und bestimmte den richtigen Moment. Welches Schicksal wir erleiden würden, hing sowohl von den Umständen ab als auch von der Art, wie wir die Umstände zu unseren Gunsten verändern konnten. Die schwarze Tür öffnete sich lautlos, und das allgegenwärtige, milchige Licht beleuchtete eine schmale Steintreppe. Die Stufen führten nach oben.
»Das erleichtert die Sache!« sagte Mevancy.
Llodi sagte: »Ich gehe als erster.«
»Das kommt überhaupt nicht in Frage«, erwiderte ich. »Nimm deinen Bogenstab und drück auf die Stufen.«
Zweifellos hielt er mich für etwas pingelig, doch er nahm den Bogen und drückte damit auf die Stufen. Selbst so konnte ich nicht sicher sein, daß der Druck das Gewicht eines Fußes simulieren würde. Doch die Befürchtung erwies sich als überflüssig.
Die dritte Stufe löste einen Pfeilhagel aus, der aus verborgenen Öffnungen über unsere Köpfe hinwegsauste. Mevancy sagte: »Oh!« Llodi sog die Wangen ein. Rollo murmelte etwas Unverständliches.
Die Tür am oberen Ende war verschlossen. Wir hatten keine Möglichkeit, sie zu öffnen.
»Dem Anschein nach ist es solider Marmor«, sagte Rollo wütend.
Also polterten wir wieder hinunter und begaben uns zur rechten Tür.
Dahinter verbarg sich eine Wendeltreppe, an deren unterem Ende sich eine verschlossene Tür befand.
»Sehen wir uns die mittlere Tür wenigstens mal an«, sagte Mevancy.
Hier fanden wir den Ursprung des lauten Wasserrauschens. Der Gang führte geradeaus, und direkt hinter der Tür entsprang eine Quelle, deren Wasser parallel zum Gang kanalisiert wurde. Das alles schien völlig normal zu sein. Nur die Wände waren merkwürdig. Sie bestanden aus zusammengepreßter Erde, die durch das Wasser sehr feucht waren. Lange dünne weiße Tentakel schlängelten aus dem Erdreich und verschwanden an anderer Stelle wieder in ihm. Instinktiv schloß sich meine Faust um den Schwertgriff. Die gebogenen Tentakel hingen bewegungslos da.
»Natürlich«, sagte Mevancy. »Wegen des ganzen Granits in der Stadt müssen die Bäume ihre Wurzeln irgendwohin ausstrecken.«
»Der Zauber, der die Leute lähmt, hält den Regen ab«, meinte Rollo. »Die Bäume werden mit den Blättern etwas Flüssigkeit von dem Regen aufnehmen, doch die unterirdischen Wasserläufe müssen in der ganzen Stadt vorhanden sein.«
Mir kam ein übler Gedanke, doch zum jetzigen Zeitpunkt hielt ich es nicht für angebracht, ihn meinen Gefährten mitzuteilen.
»Gehen wir nun geradeaus oder nicht?« wollte Mevancy wissen.
»Wenn wir nach unten steigen, geraten wir nur noch weiter in die Tiefe. Und dann ist es viel schwerer, den Weg an die Oberfläche zu finden.«
»Es stellt sich die Frage«, sagte Rollo mit einem Hauch der alten Arroganz, »ob wir den Anweisungen der Inschrift gehorchen sollen?«
»Es sind ja wohl keine Anweisungen, Rollo. Hältst du die Worte etwa für eine Herausforderung?« fragte ich.
»Ja, für eine unausgesprochene. ›Möge euer Weg gerade verlaufen‹ Was soll das bedeuten? Wünscht man uns Glück, oder ...«
»Man?« fauchte Mevancy.
»Jene, die dieses verdammte Labyrinth errichtet haben. Zweifellos sind sie lange tot, auch wenn man bei Zauberern aus Walfarg nie sicher sein kann. Sie hatten Schätze zu bewachen, und sie wußten, daß habgierige Leute versuchen würden, sie zu stehlen. Deshalb haben die Erbauer sie so gut beschützt wie nur möglich. Ob sie nun tot oder lebendig sind, Rollo hat recht. Wir stellen uns einer Herausforderung!«
»Ja, aber ich halte nichts davon, in die Tiefe zu steigen. Nicht mit den ganzen Schrecken und allem, was da unten auf uns lauert, wie du uns versprochen hast!«
»Aber Llodi«, sagte Mevancy mit einem Hauch von Wut, »wenn wir nicht in die Tiefe steigen, folgen wir genau der Inschrift.«
Die Situation belastete meine Kameraden, und trotz ihrer guten Laune und ihres Mutes waren sie wie ich normale Menschen. Unsere Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Wie lange würde es dauern, bis die Worte härter und aus harten Worten Hiebe wurden? Das mußte ich irgendwie
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