42 - Die Trommeln von Scorpio
sagte, er versuche, sich den zurückgelegten Weg zu merken. Llodi meinte, auch er wolle es versuchen.
Die Höhle breitete sich tief vor uns aus, doch da das milchige Licht hier sehr schwach war, konnten wir das andere Ende nicht sehen. Die hier befindlichen Schatten sahen verdammt unheilvoll aus. Einer Mittellinie folgend bewegten wir uns vorsichtig weiter. Der Bursche, der dort lag, mußte ebenso gehandelt haben. Es hatte ihm wenig eingebracht. Er lag mit eingeschlagenem Schädel auf dem Pfad.
»Bei Hlo-Hli, den können wir nicht aufwecken!«
»Das hat Thassa die Gefleckte gemacht.«
»Aye.«
»Aber«, machte uns Mevancy darauf aufmerksam, »das Vorlind ist nicht hier erstarrt. Also ...«
»Ich glaube, es ist da, wo die Schatten dichter fallen«, sagte ich.
Wir gingen mit äußerster Vorsicht weiter, und als wir näher kamen, enthüllte sich uns das Bild im Zwielicht. Ein Mann, der dem armen Burschen hinten auf dem Weg sehr ähnelte, marschierte weiter. An beiden Enden des Jochs, das er auf den Schultern trug, hingen Weidenkörbe. Direkt vor ihm ging eine Wache, ein Rapa, dessen Federn sich steif sträubten und dessen geierähnlicher Schnabel sich tückisch krümmte. Er trug eine Rüstung aus Eisenreifen, Schwert und Peitsche. Seine Sorte hatte ich sehr früh kennengelernt, als ich mich mit den Menschen Kregens bekannt gemacht hatte. Vor dem Rapa wankte ein weiterer Sklave, und davor waren weitere Gestalten schwach auszumachen.
Seitlich von ihnen duckte sich, kaum erkennbar, ein bewegungsloses Vorlind mit ausgestrecktem Schwanz, das die Männer mit roten Augen anfunkelte.
»Was für ein Anblick!« sagte Mevancy. »Faszinierend!« Rollo saugte die Wangen ein. Llodi enthielt sich, wie ich, jeden Kommentars. Wir hörten beide das hustende Fauchen in den Schatten neben uns.
Wir wirbelten herum.
Mit gebleckten Fängen sprang uns die wilde Gestalt aus dem Zwielicht entgegen.
13
Llodi sprang, Rollo mit sich reißend, nach links, und ich hechtete mit Mevancy zur anderen Seite.
Beide kamen wir wieder auf die Beine. Das Vorlind stand da und schwang den gewaltigen Kopf hin und her. Nach der Erstarrung mußten die Muskeln es im Stich gelassen haben, deshalb war der Sprung gescheitert. Die roten Augen funkelten zuerst mich und dann Llodi an, dann schwang der Kopf wieder zu mir herum.
»Bei Spurl!« entfuhr es Mevancy, die sich aufsetzte. Sie streckte den Arm aus.
»Nein, Hühnchen«, sagte ich schnell und abgehackt und beobachtete sowohl Mevancy als auch das Vorlind aus den Augenwinkeln. »Spare deine Kräfte auf. Für später.«
Llodi machte sich bereit, gemeinsam mit mir loszustürmen, um die Bestie von zwei Seiten anzugreifen. Es blieb uns nichts anderes übrig. Ich hasse Situationen, in denen ein edles Tier nur seinen Instinkten folgt. Wenn die Instinkte mich allerdings um meinen Kopf bringen wollen, muß man das Tier aufhalten – egal, ob es edel ist oder nicht.
»Warte, Llodi! Ich werde das arme Ding mit dem Pfeil erlösen.«
Mein Schwert glitt in die Scheide zurück, und ich griff nach dem lohischen Langbogen auf der Schulter. Es ging sehr schnell. Wäre die Gefleckte nicht so überraschend aus der Erstarrung erweckt worden, hätte sie uns jetzt schon zermalmt. Ich führte das gekerbte Holz in die Sehne ein, zog durch und ließ los. Der Pfeil traf das Vorlind direkt hinter dem Hals. Im Gegensatz zum Leem verfügt das Vorlind nur über ein Herz und sechs Beine. Dieses Exemplar fiel einfach zur Seite.
Rollo, der neben Llodi stand, senkte den Bogen. »Ich brauche also nicht mehr zu schießen.«
Der Junge hatte sich schnell von dem Schrecken erholt und den Bogen schußbereit gemacht. Ich zückte das Messer und holte mir den Pfeil zurück, genau wie Seg es getan hätte.
»Die Frage ist«, sagte Rollo, »wer und was sind sie?«
»Freunde oder Feinde«, verdeutlichte Mevancy.
»Wenn wir sie aufwecken, müssen wir nur auf noch mehr Leute aufpassen und alles.«
»Ein kluger Gedanke, Llodi.«
Ich sagte: »Wir müssen zuerst das Vorlind aus dem Weg räumen.«
In unserer Unterhaltung schwang eine bestimmte scharfe Brüchigkeit mit. Wir hatten gerade eine Situation durchlebt, die Auswirkungen auf uns haben würde. Dabei durfte man natürlich nicht vergessen, daß Llodi, den man mit Fug und Recht als hartgesottenen Burschen bezeichnen konnte und der den Beruf des Karawanenwächters ausgeübt hatte, schon Schlimmeres als tote Raubkatzen gesehen hatte. Auch Mevancy hatte ihre Feuerprobe längst hinter
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