42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers
führe, he?“
„Pah, wollt Ihr uns wohl einmal zeigen, was in Eurem Kielraum steckt, so daß keiner Eurer Matrosen hinunter darf?“
Der Kapitän wurde leichenblaß vor Schreck, nahm sich aber zusammen und sagte:
„Ihr träumt wohl? Ich komme aus Spanien und Ihr von den Molukken. Was wollt Ihr von meinem Kielraum wissen?“
„Daß ein Gefangener unten steckt.“
Auch jetzt faßte sich der Kapitän trotz seiner abermaligen Bestürzung schnell und antwortete:
„Habe ich etwa nicht das Recht, einen rebellischen Matrosen einzusperren?“
„Gewiß, aber Ihr habt nicht das Recht, einzusperren, was Euch der Advokat Cortejo an Bord bringt oder was Ihr Euch von Schloß Rodriganda holt!“
Jetzt allerdings war es um die Fassung des Kapitäns vollständig geschehen. Das Entsetzen war seinen Zügen so deutlich aufgezeichnet, daß ihn die anderen alle mit Kopfschütteln betrachteten! Er bemerkte dies und strengte alle seine Kraft an, um sich zu beherrschen.
„Entweder Ihr seid wahnsinnig oder somnambul!“ lachte er gezwungen. „Wann habt Ihr hier Anker geworfen?“
„Vor zwei Stunden.“
„Und ich vor vier. Wir kommen aus entgegengesetzten Richtungen; was könnt Ihr also wissen! Übrigens habe ich keine Zeit, Eure Phantasien anzuhören. Adieu, Ihr Herren!“
Er stülpte seinen Südwester auf den Kopf und ging.
„Was war das? Was wißt Ihr, Maat?“ fragten die anderen, als er fort war.
„O nichts. Ich erlauschte nur ein Gespräch von zweien seiner Leute.“
„Ah, ist es das! Aber es kann nichts Gutes dabei sein; der Mann erschrak ja fürchterlich!“
Landola begab sich direkt nach seinem Schiff.
„Woher weiß das dieser Mensch!“ murmelte er. „Es ist mir unbegreiflich, vollständig unbegreiflich! Ich muß ihn unschädlich machen. Ich hatte es so bereits auf die ‚Jeffrouw Mietje‘ abgesehen, nun aber muß sie sicher mein werden. Eine Stunde nach ihr verlasse ich den Hafen.“
Die beiden Matrosen, welche der Steuermann Helmers belauscht hatte, ruderten Landola nach seinem Schiff, wo er sich sogleich zu dem Steuermann begab.
„Holla, Maat, heute gilt es aufzupassen!“ sagte er.
„Ein neues Geschäft, Señor?“
„Ja.“
„Mit wem?“
„Mit dem Holländer da drüben. Er wird mit der Ebbe den Hafen verlassen, also gegen Abend. Eine Stunde später gehen wir. Aber es braucht vorher kein Mensch etwas zu wissen!“
„Verstehe, Señor! Hat die ‚Jeffrouw Mietje‘ gute Ladung?“
„Gewürz von den Molukken.“
„Viel Bedeckung?“
„Natürlich nur einfache Barkenbemannung. Wir sind doppelt so zahlreich.“
„Machen wir es wie gewöhnlich?“
„Ja. Wir gehen hart an sie heran, geben eine einzige Breitseite und entern dann.“
„Wer führt die Enterer heute, ich oder Ihr selbst?“
„Ich selbst. Es gibt auf der ‚Jeffrouw‘ einen, den ich mir heraussuchen muß.“
Diese Angelegenheit war somit erledigt. Eine andere, fast ebenso wichtige, wurde vorn am Bugspriet besprochen. Dort stand der Matrose Claussen mit seinem Kameraden. Sie sprachen von dem Gefangenen.
„Also – willst du mit ihm reden?“ fragte der erstere.
„Ja.“
„Und ich bekomme fünfzehnhundert Duros?“
„Ja.“
„Er wird doch einstimmen?“
„Das versteht sich ganz von selbst.“
„Und wie bringen wir ihn herauf und an das Ufer?“
„Du wirst Wache halten.“
„Wo?“
„An der Hinterluke.“
„Gut.“
„Eine Stunde nach Einbruch des Abends erhalten wir alle unsere Rationen. Wir richten es ein, daß wir die unsrigen zuerst erhalten. Dann gehst du auf deinen Posten, und ich steige schnell hinab, um ihn zu holen. Wenn wir rasch machen, bringen wir ihn an die Reling, während die anderen beim Koch stehen. Dann schnell am Tau hinab in das kleine Boot und an Land.“
„Und dann?“
„Dann sofort hinauf in die Berge, wo wir uns verstecken, bis die ‚Péndola‘ den Hafen verlassen hat. Die Insel ist gebirgig und zerklüftet genug, um uns sichere Verstecke zu bieten.“
„So gehe hinab und sprich mit ihm!“
Der Matrose stieg durch die Hinterluke in den Kielraum hinab. Dort lag tiefer Sand als Ballast aufgeschichtet, und in diesem feuchten Sand, in welchem die Ratten und Mäuse ihr Domizil aufgeschlagen hatten, lag, in vollständiges Dunkel eingehüllt und mit Ketten angeschlossen, Mariano – oder wie er in Rodriganda genannt wurde, der Husarenlieutenant Alfred de Lautreville.
Er hatte böse Tage und Stunden bis hierher gehabt, die größten Qualen aber hatte ihm der Gedanke an
Weitere Kostenlose Bücher