42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers
die Geliebte und die Freunde bereitet. Als er die Schritte des Matrosen hörte, fragte er:
„Wer ist da?“
„Ich, Señor; ich bringe Wasser.“
„Gib her; ich verschmachte mitten im nassen Sand!“
Der Matrose setzte ihm einen Krug hin und tat dann, als ob er sich wieder entfernen wollte.
„Halt, warte!“ bat Mariano.
„Was ist es noch, Señor?“ fragte der Mann.
„Hast du dir meinen Vorschlag überlegt?“
„Ja.“
„Nun?“
„Ihr bietet zuwenig.“
„Sind fünftausend Duros zuwenig?“
„Ja.“
„Sie sind ein Vermögen für dich!“
„Für mich, ja, aber ich muß sie teilen. Ich kann es nicht allein tun, Señor.“
„Du brauchst noch jemand?“
„Ja, wenigstens noch einen.“
„Wirst du noch einen finden, der uns nicht verrät?“
„Ich hätte ihn schon, wenn wir über den Preis einig werden könnten.“
„Gut. Wieviel willst du!“
„Nicht viel. Sechstausend anstatt fünftausend Duros.“
„Wann soll es geschehen?“
„Schon heute, beim Einbruch des Abends, wenn Ihr mir versprecht, die Summe zu bezahlen.“
„Gut, ihr sollt sie haben!“
„Gewiß?“
„Gewiß!“
„Ihr werdet uns nicht betrügen?“
„Nein. Ich gebe dir mein Ehrenwort.“
„Ich glaube Euch! Wir werden heute in die Berge gehen und dort warten, bis wir sicher sind.“
„Das ist nicht notwendig. Ich bin widerrechtlich gefangen, und ihr seid auf einem Seeräuber, ohne daß ihr gewußt habt, daß es einer ist. Sobald wir das Land betreten, schützt uns das Gesetz.“
„Wißt Ihr das gewiß?“
„Ja, tragt nur keine Sorge!“
Unterdessen hatte die gute Jeffrouw Mietje ihre Visite bei Mutter Dry beendet und ließ sich von dem Steuermann wieder nach der Barke fahren, auf welcher man bereits die Vorbereitungen traf, wieder in See zu stechen. Die Ebbe begann sich allmählich bemerklich zu machen.
„Nun, wie hat Euch dieser Landola gefallen?“ fragte der Holländer seinen Steuermann.
„Wie einer, dem nicht zu trauen ist. Er erkundigte sich so zudringlich nach unseren Verhältnissen, daß ich ihn streng zurechtweisen mußte. Fast müßte ich glauben, daß wir uns in acht nehmen müssen.“
„Wollen sehen, Maat. In einer Stunde gehen wir in See; dann wird es sich finden.“
Zu der angegebenen Zeit, eben als der Abend hereinbrach, nahm die ‚Jeffrouw Mietje‘ den Anker auf und schwankte, erst langsam und dann in immer schnellerem Lauf, in die See hinaus.
Kaum eine Stunde später gab auf der ‚Péndola‘ die Schiffsglocke das Zeichen, daß die Abendrationen auszuteilen seien. Alles eilte an die Kombüse, wo der Koch stand, um die Verteilung zu bewerkstelligen. Die beiden Verschworenen waren die ersten, welche ihre Portionen erhielten. Dann eilte der eine Matrose zunächst zur der Reling, um zu sehen, ob das an Steuerbord hängende Boot sich in Ordnung befinde, und stellte sich dann so unauffällig wie möglich an der Hinterluke auf. Sein Kamerad war indessen zu derselben hinab nach dem Kielraum gestiegen.
„Kommst du?“ fragte der Gefangene.
„Ja.“
„Wie steht es mit den Fesseln?“
„Ich habe den Kettenzwicker mit. Wir brauchen keine Schlüssel.“
In der Zeit von zwei Minuten waren die Ketten gelöst, dann stiegen die beiden aufwärts. Eben tauchten sie aus der Luke empor, als ein Ruf erscholl, der sie mit Schrecken erfüllte.
„Alle Mann an Deck!“ ertönte die Stimme des Kapitäns, der sich vorn am Bug befunden hatte.
Er kam nach hinten gegangen und wollte gerade in dem Augenblick vorüber, als die beiden Matrosen den Gefangenen faßten, um ihn schnell aus der Luke zu zerren.
„Alle Teufel, was ist das?“ schrie er. „Deckwache herbei!“
Er schlug die Faust mit solcher Kraft dem vor Hunger und sonstigen Entbehrungen erschöpften Mariano in das Gesicht, daß dieser die Lukenstiege wieder hinabstürzte. Im nächsten Augenblick waren die beiden Matrosen von der Deckwache umringt. Sie wurden überwältigt, gebunden und einstweilen in den Wergraum eingeschlossen!
Hiermit war bei der auf dem Schiff herrschenden Disziplin die Ruhe und Ordnung wiederhergestellt. Die Lampen wurden aufgesteckt, die beiden Anker aufgewunden und die Segel gestellt. Der Wind legte sich in die Leinwand, und die ‚Péndola‘ rauschte in schnellem Gang dem Meer entgegen. Sie war ein bedeutend besserer Segler als die ‚Jeffrouw Mietje‘.
Der Kapitän hing in den Wanten und beobachtete die Schnelligkeit des Schiffes. Er konnte zufrieden sein.
„Hurra, nehmt die Spieren ab – beschlagt
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