42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers
Steuermann des Schiffes. Mynheer Dangerlahn hielt große Stücke auf ihn.
„Wollt Ihr nicht auch einmal an Land gehen, Maat?“ fragte er ihn.
„Ich? Was soll ich da? Wir stechen ja mit der Ebbe schon wieder in See!“
„Und doch könntet Ihr einmal gehen!“
„Warum?“
„Seht Ihr da drüben den spanischen Schoner liegen?“
„Ja, Ihr meint doch die ‚Péndola‘?“
„Ja, die ‚Péndola‘, Kapitän Henrico Landola. Es wäre vielleicht gut, wenn Ihr Euch den Mann einmal ansehen wolltet.“
„Aus welchem Grund?“
„Er ist einer von denen, welchen ich nicht traue, und diese Sorte muß man kennenlernen. Haha, fragte mich der Kerl, ob ich Kanonen führe!“
Jetzt wurde der Steuermann aufmerksam.
„Ah, ist's so!“ meinte er. „Was habt Ihr geantwortet, Mynheer?“
„Daß wir keine haben, natürlich.“
„Ganz recht so! Solche Neugierde darf man nicht befriedigen. Wo ist der Kerl zu sehen?“
„Bei Mutter Dry im Hinterzimmer. Ihr könnt mit Jeffrouw an Land rudern.“
„Ich werde es tun, Mynheer.“
Er ging nach seiner Koje, um eine bessere Jacke anzuziehen, und kam dann schnell an Deck, denn er hatte gesehen, daß Jeffrouw Mietje sich beeilte, in das Boot zu kommen.
„Ah, Steuermann Helmers. Ihr geht auch mit an Land?“ fragte sie, als sie ihn am Fallreep traf.
„Ja“, antwortete er. „Ich werde Euch rudern.“
Und er ruderte die Jeffrouw an Land, obgleich er das als Steuermann nicht nötig hatte. Als sie das Haus der Mutter Dry erreichten, trat die Händlerin sofort in die Stube, Helmers jedoch schritt erst nach dem Hofraum, um das Etablissement gleich richtig kennenzulernen. Eben wollte er durch die Hintertür treten, als eine eigentümliche Stimme an sein Ohr schlug. Es sprachen im Hof zwei Männer miteinander, und die Stimme des einen klang so, als ob er keine Nase habe.
„Alle Wetter, das ist ja Claussen!“ murmelte der Steuermann. „Wie kommt der nach Funchal? Da ist wohl auch nichts Gutes dabei.“
Er horchte. Die beiden Leute im Hof schienen ein wenig betrunken zu sein, sonst hätten sie leiser gesprochen, zumal das Thema ihres Gespräches gar nicht an die Öffentlichkeit zu gehören schien.
„Also wo steckt er?“ fragte der Nasenlose.
„Ganz unten im Kielraum bei den Ratten“, antwortete der andere.
„Donnerwetter, das ist kein angenehmer Aufenthalt! Also deshalb darf kein anderer als du hinab in den Raum?“
„Ja, deshalb.“
„Was ist er denn?“
„Ich weiß es nicht.“
„Hast du ihn nicht gefragt?“
„Doch, aber er sagt es mir nicht. Aber reich muß er sein, sehr reich.“
„Warum denkst du dies?“
„Weil er mir fünftausend Duros geboten hat, wenn ich ihn entkommen lasse, fünftausend Duros!“
„Alle Teufel! Und du machst nicht mit?“
„Holzkopf, kann ich denn!“
„Warum nicht?“
„Wenn ich ihn entkommen lasse, ist es um mich geschehen, trotz des vielen Geldes.“
„So fliehst du mit!“
„Auch das geht nicht.“
„Warum nicht?“
„Es müssen zwei dazu sein, ihn des Nachts von Bord zu bringen; einer ist nicht Manns genug.“
„So tue ich mit.“
„Hm, das ginge! Wenn ich nur wüßte, wer er ist und ob ich mich auf ihn verlassen kann.“
„Wie kam er denn an Bord?“
„Wir holten ihn von einem Schloß. Es hieß Rodriganda und liegt in der Nähe von Barcelona.“
„Hatte denn Kapitän Landola eine Differenz mit ihm?“
„Nein. Ich glaube, daß es auf Anstiften des alten Gasparino Cortejo geschehen ist.“
„Wer ist das?“
„Ein schlauer Fuchs von einem Advokaten, der viele Geschäfte mit dem Kapitän macht.“
„Nun, wenn der Mann in einem Schloß gewohnt hat, so muß er ja Geld haben. Lassen wir ihn los!“
„Das muß noch wohlüberlegt sein.“
„Aber fünftausend Duros!“
„Ja, das ist eine Summe! Aber wieviel würdest du davon haben wollen, Claussen?“
„Die Hälfte natürlich.“
„Pah, da mache ich nicht mit. Ich bin es doch, der das meiste dabei tun und riskieren müßte.“
„Meinetwegen, sagen wir also zweitausend.“
„Noch zuviel. Eintausend sollst du haben.“
„Da mache nun ich nicht mit. Wenn ich nur eintausend erhalte, sind viertausend für dich zuviel.“
„So lassen wir es ganz einfach bleiben. Um ein Boot an das Land zu schmuggeln –“
Da öffnete sich die Tür der Gaststube; einer der Gäste kam heraus, um nach dem Hof zu gehen, und darum konnte Helmers das Gespräch nicht länger belauschen. Er trat in das Gastzimmer, wo er stets verkehrte, wenn er mit
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