42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers
Nachts vom Lager fort, um einsam zu sein und im Schein des Mondes im Wald oder auf der Wiese herumzuschweifen. Das wissen die Meinen.“
„Und du wirst also ganz gewiß kommen?“
„Ganz gewiß.“
„Ich danke dir. O wie glücklich würde ich sein, wenn du ganz bei mir bleiben könntest, ohne wieder von mir fortzugehen!“
Er drückte sie wieder an sich, und das Küssen begann von neuem.
So saßen sie bis fast zu der Zeit des Tagesanbruches, und als er zur Heimkehr aufbrach, begleitete sie ihn bis an das Tor der Festungsmauer; dann nahm er zärtlich Abschied. Zu Hause angelangt, legte er sich sofort zur Ruhe und hätte wohl den ganzen Vormittag verschlafen, wenn ihn nicht ein Diener geweckt hätte, der ihm meldete, daß Serenissimus ihn zu sprechen wünsche. Er erhob sich sofort vom Lager, um Toilette zu machen.
Der Herzog schien schlecht geschlafen zu haben; er sah übernächtigt aus und war bei schlechter Laune.
„Kerl, wo steckst du denn?“ fragte er. „Ich bin nicht gewohnt, so lange warten zu müssen.“
„Ich habe bis zu diesem Augenblick geschlafen“, gestand er gleichmütig.
„Geschlafen? Während ich seit Stunden auf dich warte!“
„Ich kam erst am Morgen nach Hause.“
„Schwärmer! Wann wirst du einmal aufhören, liederlich zu sein, und anfangen, ein ordentlicher Kerl zu werden!“
„Dann, wenn ich aufhöre, ein treuer, und anfange, ein gleichgültiger Diener zu sein.“
„Ah, du willst dich doch nicht etwa mit deiner Treue entschuldigen!“
„Nichts anderes.“
„Das klingt lustig, aber ich habe nur leider nicht die Laune, mich mit dir herumzuscherzen.“
„Ich spreche im Ernst, Exzellenz. Der Auftrag, den Sie mir erteilten, hat mich so lange wach erhalten.“
„Lügner!“
Cortejo nahm die Miene des Gekränkten an und sagte:
„Dieses Wort verdiene ich nicht; die Heilige Jungfrau ist mein Zeuge!“
„Gehe mir mit dieser Zeugin! Die Heilige Jungfrau weiß nichts von dir. Sie wird sich hüten, sich mit dir in den Kneipen und Winkeln herumzutreiben. Wo warst du so lange, Mensch?“
Cortejo kannte seinen Herrn und wußte, wie er sich zu verhalten habe. Darum nahm er eine ironisch-reumütige Miene an und sagte in der demütigsten Haltung, die ihm möglich war:
„Nun gut, so will ich zugeben, daß ich die ganze Nacht geschwärmt und sogar meine ganze Kasse vertrunken habe. Ich bitte um Verzeihung und verspreche, daß es nicht wieder geschehen soll.“
Er trat bis zur Tür zurück, als erwarte er, daß er nun gehen dürfe. Aber der Herzog brummte:
„Schlingel, so kommst du mir nicht! Hast du über das Mädchen etwas erfahren oder nicht?“
„Ja. Ich kam ja aus diesem Grund so spät nach Hause. Ich habe trinken müssen wie ein Kellerloch und sogar meine Kasse gesprengt, um diese Kerls gesprächig zu machen.“
„Gauner!“ lachte der Herzog. „Ich bin der festen Überzeugung, daß du keinen halben Duro für die Kerls ausgegeben hast, von welchen du sprichst, und nehme meinerseits ohne alles Bedenken auch die Heilige Jungfrau als Zeugin an. Wieviel Geld hattest du ungefähr bei dir?“
„Wenigstens sechzig Duros, die sie mir mit Wein und Spiel abgenommen haben.“
„Betrüger! Ich weiß ja am besten, daß du ein fertiger Spieler bist, der sich niemals auch nur das kleinste Silberstück abnehmen läßt.“
„Das ging hier nicht. Bedenken Sie, Exzellenz, daß ich diese Leute bei Laune erhalten mußte.“
„Nun, meinetwegen, du sollst die Summe haben. Wer waren denn die beiden Kerls?“
„Zwei Kontoristen des alten Salmonno.“
„Wie bist du an sie gekommen?“
„Ja, das war eben die Schwierigkeit. Sie hatten am Tag nicht frei und konnten also erst des Abends ausgehen. Da habe ich denn zuerst wie ein Nachtwächter vor den Türen warten müssen und folgte ihnen dann mehrere Stunden lang durch alle Straßen und Kneipen, bis es mir endlich gelang, einen Platz an ihrem Tisch zu finden. Wir begannen ein Spielchen, und das übrige können Exzellenz sich denken.“
„Hm, ich will einmal glauben, daß es so gewesen ist, obgleich es mich wundern sollte, wenn du so völlig auf dein eigenes Vergnügen Verzicht geleistet hättest. Also, du hast etwas erfahren?“
„Natürlich!“
„Das will ich auch hoffen. Ich habe bei Gott diese ganze Nacht kein Auge zugetan; ich mußte immer an diese verdammte Gouvernante denken und an den verfluchten Kerl, den sie zu Hilfe rief.“
„Ah“, lächelte Cortejo, „Exzellenz haben ein Intermezzo erlebt?“
„Ja. Sie rief
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