Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
gewechselt worden waren, trennten sie sich. Der Austräger ging mit seinen Briefen zur Post, und Cortejo trat hinaus auf die belebte Straße.
    Es fiel ihm gar nicht ein, nun sogleich den Herzog aufzusuchen und ihm mitzuteilen, was er in Erfahrung gebracht hatte. Er hatte die Absicht, aus seiner Neuigkeit soviel Kapital und Vorteil wie nur möglich zu schlagen, und nahm sich vor, sich heute gar nicht im Palast sehen zu lassen. So trieb er sich denn während des Tages und des Abends in den Straßen und Weinstuben der Stadt umher, bis es Mitternacht wurde und er es an der Zeit hielt, sich nach der Straße von Hueska zu begeben, wo er die schöne Zigeunerin keinen Augenblick auf sich warten lassen mochte.
    Saragossa liegt am Ebro, und bei der Stadt fließt von Norden her der Gallego in diesen Fluß.
    Gegen die Ufer dieses Zuflusses hin mußte sich Cortejo wenden. Er gewahrte bald ein helloderndes Feuer und wußte, daß dort das Lager der Gitanos zu suchen sei. Er ging, ohne sich von ihnen bemerken zu lassen, am Gallego aufwärts und gewahrte nach einer nicht zu langen Strecke die Silberpappeln, bei denen er die Zingarita treffen sollte.
    Sie war noch nicht da, und er wartete.
    Seine Geduld wurde nicht auf eine harte Probe gestellt. Sie erschien bald. Sie trug dasselbe Gewand, in welchem er sie heute gesehen hatte, doch hatte sie der nächtlichen Kälte wegen ein altes Tuch darüber genommen.
    „Guten Abend, Señor! Seid Ihr es?“ grüßte sie.
    „Ja, Zarba, ich bin es“, antwortete er.
    Er reichte ihr seine Hand entgegen und fühlte nun in derselben ein kleines Händchen, welches demjenigen eines Kindes glich. Es zitterte in der seinen.
    „Hast du Angst vor mir?“ fragte er.
    „Warum denkt Ihr das?“
    „Du zitterst. Ist es die Kälte?“
    „Nein. Ich habe noch niemals mit einem Señor des Abends allein gesprochen.“
    „Und nun hast du Sorge, wie das sein und werden wird? Fürchte dich nicht! Ich habe dich sehr lieb, und wen man liebhat, zu dem ist man ja nur gut und freundlich. Wissen die Deinen, wo du bist?“
    „Nein. Sie denken, ich schlafe abseits vom Lager.“
    „Werden sie dich nicht suchen?“
    „Nein. Sie liegen um das Feuer und schlafen.“
    „So laß uns hier niedersetzen und plaudern. Komm!“
    Er setzte sich nieder, und sie nahm langsam an seiner Seite Platz, aber mit einer solchen Scheu, wie der Kanarienvogel sich auf den entgegengestreckten Finger seines Herrn setzt. Als er jetzt abermals ihr Händchen ergriff, fühlte er, daß sie zusammenzuckte. Ja, sie glich wirklich dem Vogel, der zwischen Angst und Vertrauen schwebt und unsicher ist, was er tun und wagen darf.
    „Warum bangst du?“ fragte er zärtlich. „Willst du mir dein Händchen nicht lassen, Zarba?“
    „O Señor, was kann es Euch helfen!“
    „Das weißt du nicht und begreifst es nicht?“
    „Nein.“
    „Hast du noch keinen Mann liebgehabt? So, daß du glaubtest, ohne ihn nicht leben zu können?“
    „Niemals.“
    „Ist dies wahr?“
    „Ich belüge Euch nicht!“
    „So versuche einmal, ob du vielleicht mich lieben kannst.“
    „Daß ich ohne Euch gar nicht leben mag?“
    „Ja.“
    „O Señor, ich habe Euer Angesicht noch gar nicht gesehen, aber ich merke, daß ich Euch gut bin.“
    „So sieh es dir einmal an!“
    Er hatte die Maske noch immer vor dem Gesicht. Jetzt nahm er sie ab und näherte seinen Kopf dem ihrigen, so daß sie ihn beim Schein des Mondscheinviertels genau genug sehen und betrachten konnte.
    „Gefalle ich dir?“ fragte er scherzend.
    „Ja“, antwortete sie ernsthaft.
    „Aber gewiß noch lange nicht so sehr wie du mir. Ich möchte den Arm um dich legen, dich an mein Herz nehmen und gar nie wieder davon lassen. Darf ich, meine liebe Zarba.“
    „Muß dies sein?“ fragte sie mit der Naivität eines Naturkindes.
    „Wenn man sich lieb hat – ja.“
    Er legte den Arm um ihre Taille und zog sie an sich. Sie widerstrebte nicht, und nun fühlte er die nur leicht bedeckte, herrliche Gestalt lebenswarm an seinem Herzen liegen. Er sagte nichts, aber er bog sich zu ihr herab, hob ihr Köpfchen empor und blickte ihr lange, lange magnetisierend in die dunklen Augen. Ihr Busen wallte und ihr Atem ging hörbar unter unbeschreiblichen Empfindungen, welche sie bisher noch nie gekannt hatte.
    Da bog er sich noch weiter herab und legte seinen Mund zu einem langen und glühenden Kuß auf ihre Lippen. Sie litt es, ja, er fühlte bald einen leisen, leisen Gegendruck, während aus ihrem Mund sich ein tiefer

Weitere Kostenlose Bücher