42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers
handelt sich nur darum, unsere Teufeleien so zu begehen, daß sie uns Nutzen bringen. Ich glaube, du bist derselben Ansicht. Oder nicht?“
„Ganz und gar. Aber, glaubst du, den Herzog zu einer solchen Tat bringen zu können?“
„Ja, ich bin heute überzeugt davon; er befindet sich bereits auf dem besten Weg.“
„Du machst mich neugierig. Erzähle!“
Er erzählte ihr das gestrige Vorkommnis mit der Gouvernante und schloß daran die Worte:
„Wie ich diese Deutsche beurteile, so wird sie sich nicht ohne Gegenwehr ergeben, er wird kämpfen müssen; er wird zu Mitteln greifen, welche unerlaubt sind. Und hat er einmal diese Bahn betreten, so ist er mir ohne Widerrede verfallen, ich werde ihn bemeistern.“
„Du bist wirklich ein ganz gefährlicher und gewissenloser Intrigant, und ich beginne stolz auf dich zu werden. Aber was hat die Liebschaft des Herzogs damit zu tun, daß du heute nicht mit mir Spazierengehen kannst?“
„Ich habe die Bekanntschaft mit Salmonnos Leuten fortzusetzen, um alles zu erfahren, was im Haus vorgeht. Wir haben uns für heute bestellt, und ich muß also mein Wort halten.“
„Hm, das sehe ich ein, aber unangenehm ist es doch, so einsam zu sein.“
„Es wird ja wohl bald die Zeit kommen, in welcher du dafür entschädigt wirst.“
Er bemühte sich, durch einige Küsse ihren Unmut zu zerstreuen, und kehrte dann nach seiner Wohnung im Palais des Herzogs zurück, denn die Zeit der Dämmerung war nahe herangerückt.
Er hatte mit eigener Hand seine Zimmer geordnet, so daß die glänzende Einrichtung derselben einen möglichst großen Eindruck auf das Naturkind machen müsse, und dann, als es dunkel geworden war, sorgte er dafür, daß die Dienerschaft von dem Flügel, welchen er bewohnte, für einige Zeit ferngehalten wurde. Dann begab er sich in den Garten.
Er lauerte hinter dem betreffenden Pförtchen, bis ein leises Klopfen erscholl. Er öffnete, ließ die Zigeunerin eintreten und schloß dann wieder zu. Als er sie mit einer innigen Umarmung und einem langen Kuß begrüßte, hing sie regungslos und hingebend in seinen Armen.
„Wie pünktlich du bist, meine Zarba!“ belobte er sie.
„Oh, ich habe mich nach Euch gesehnt!“ gestand sie ihm leise und verschämt.
„So komm! Du sollst mir wie eine Königin willkommen sein.“
Er nahm sie bei der Hand und führte sie durch den Garten nach dem Palast. Kein Mensch begegnete ihnen, und sie erreichten seine Zimmer völlig unbemerkt. Dort blieb sie stehen, geblendet von dem Glanz der Kerzen und dem Reichtum der Einrichtung. Er sah mit Vergnügen das Erstaunen, welches ihre feuchten Lippen geöffnet erhielt, und den erschrockenen Ausdruck ihrer Augen, welche noch niemals auf solchen Dingen geruht hatten. Er begriff, daß er diesem Wanderkind wie ein halber Gott erscheinen müsse, und so wartete er, um diesen Eindruck nicht abzuschwächen, bis sie sich selbst zu ihm wendete.
„Oh, wie schön! Wie herrlich!“ flüsterte sie.
„Komm weiter. Das ist noch nicht alles!“
Er nahm sie bei der Hand und führte sie durch eine ganze Reihe von Zimmern, welche zwar nicht alle zu seiner Wohnung gehörten, die er aber erleuchtet hatte, um die Sinne des Mädchens ganz und gar gefangenzunehmen. Als sie auch den letzten dieser Räume durchschritten hatten, sagte sie entzückt:
„O Señor, wie seid Ihr groß und herrlich. Und es ist wirklich wahr, daß Ihr mich liebt?“
„Ich mag nicht leben ohne dich. Ich müßte sterben, wenn du mich verließest, meine Zarba!“
Bei diesen Worten drückte er sie so feurig an das Herz, daß sie vor Wonne fast laut aufgeschrien hätte. Ein heißer, glühender Kuß brannte auf ihren Lippen; dann führte er sie nach seinem Schlafzimmer, wo an den Diwan ein Tisch geschoben war, auf welchem man ein köstliches Soupe für zwei serviert hatte. Sie mußte Platz nehmen, während er ging, die Lichter zu verlöschen. Bald brannte nur noch die Ampel des Schlafzimmers, und hinter der verschlossenen Tür desselben ging das Glück eines Wesens verloren, welches einem Teufel in die Hände fiel, weil es zu rein und unerfahren war, um Mißtrauen hegen zu können.
Als diese Tür sich wieder öffnete, war die Morgendämmerung nahe; die Ampel hatte seit einigen Stunden nicht mehr gebrannt. Man konnte niemand sehen, aber man konnte die beiden in liebevollen Flüstertönen sprechen hören.
„Also, es hat dir bei mir gefallen, Zarba?“ flüsterte er.
„Ja“, antwortete sie mit vibrierender Stimme.
„Und du wirst
Weitere Kostenlose Bücher