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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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bereit, den Gast zu empfangen und seiner Herrin zuzuführen.
    Der große Kasten der Post-Arche entleerte sich nach und nach seines Inhaltes, und ganz zuletzt entstieg ihm auch eine Dame, welche so in Schleier und Reisemantel eingehüllt war, daß man von ihr nur erkennen konnte, daß sie von mittelgroßer Figur und gewandtem, selbstbewußtem Benehmen sei. Der Kastellan hatte alle Aussteigenden vergeblich gemustert, jetzt aber trat er mit seiner tiefsten Verbeugung zu der Dame heran und sagte:
    „Guten Tag – willkommen! Nicht wahr, Ihr seid Miß Amy, Señora Lady Lindsay?“
    Ein kurzes, aber goldig helles Lachen drang durch den Schleier, gerade als ob ein Rotkehlchen einen abgerissenen Jubelton getrillert hätte, und dann erklang die Antwort auf die seltsame Frage des Kastellans:
    „Ja, mein Freund, ich bin Amy Lindsay. Und wer seid Ihr?“
    „O Doña Lady Señora, ich bin Señor Juan Alimpo, der Kastellan auf Schloß Rodriganda. Das sagt meine Elvira auch.“
    Wieder erklang der kurze, melodische Triller, denn der Nachsatz des wackeren Kastellans war ja ganz geeignet, die Heiterkeit der Dame zu erregen, und dann fragte sie:
    „Und wer ist diese gute Elvira?“
    „Diese Elvira ist meine Frau, Miß Amy Señora Lindsay.“
    „Ach so! Und wollt Ihr mir nun wohl sagen, ob Ihr allein hier seid, um mich abzuholen?“
    „O nein, Lady Lindsay Doña! Meine gnädige Contezza ist da. Sie ist in einer der ersten Locandas abgestiegen und erwartet Euch dort zum Gruß.“
    „So führt mich hin, Señor Alimpo.“
    Der Kastellan gab dem Kutscher einen Wink, sich des Gepäcks anzunehmen, und schritt in stolzer Haltung vor der Engländerin her, um ihr den Weg zu zeigen. Der gute Alimpo war sich bereits jetzt bewußt, daß diese ‚Miß Lady Amy Señora Lindsay‘ seine ganze Verehrung erlangen werde. Sie war gar nicht so stolz wie so manche spanische Dame; ihr Lachen war süß wie das Gezirpe eines Heimchens, und ihre Stimme klang so eigentümlich voll und rein, als sei sie von einem großen Musikmeister partout dazu gestimmt worden, recht tief in alle Herzen zu dringen.
    Rosa stand am Fenster ihres Zimmers und sah die Freundin kommen. Sie eilte ihr entgegen. Draußen vor der Zimmertür trafen sie sich. Die Fremde schlug den Schleier zurück, und nun blickte Alimpo in ein so zauberhaft mildes, blondes Mädchengesicht, daß er ganz vergaß, sich zu entfernen, um nicht Zeuge des Bewillkommnungskusses zu sein. Erst ein fragender Blick aus dem dunklen Auge seiner Herrin machte ihn auf seine Unhöflichkeit aufmerksam. Er drehte sich also schleunigst um und kehrte nach dem Hausflur zurück, wo er auf den Kutscher stieß, der soeben unter der Last des Gepäcks daher gekeucht kam.
    „O heilige Madonna, war das ein Gesicht!“ rief der Kastellan ganz enthusiastisch.
    „Welches?“ fragte der Knecht.
    „Und ein Auge!“
    „Was für eins?“
    „So blau, so blau, ach, blauer noch als der Himmel!“
    „Na, wie denn?“ erkundigte sich der Kutscher, der gar nicht wußte, woran er war.
    „Und dieses Haar! Nein, so ein Haar.“
    „Eins bloß? Hm!“
    „Wie Gold! Nein, noch viel goldener als Gold! Und dieser Kuß! Donnerwetter, ich wollte, den hätte ich bekommen an der Stelle der – hm! Ja! Was stehst du denn da und gaffst mich an? Schaffe den Koffer und die Schachteln nach dem Wagen, und bekümmere dich nicht um Dinge, für welche du gar keinen Geschmack haben kannst.“
    Der gute Alimpo hatte erst jetzt bemerkt, daß der Roßlenker mit weitaufgerissenem Mund bereitstand, seine zarten Gefühlsgeheimnisse zu verschlingen. Er schleuderte ihm einen vollständig vernichtenden Blick zu und wandte sich um, um in der Nähe des Zimmers seiner Herrin auf die Befehle der letzteren zu warten.
    Wer die beiden Mädchen jetzt hätte belauschen können, hätte wahrlich nicht gewußt, welcher von ihnen er den Preis der Schönheit zuerteilen sollte. Die Engländerin gehörte keineswegs in die Kategorie jener langen, dünnen, starkknochigen und langzähnigen Ladys, welche den Kontinent unsicher zu machen pflegen. Sie hatte Schleier und Mantel abgelegt und stand nun da wie ein verkörpertes Märchenbild, wie eine Melusine, die geschaffen ist, ohne es selbst zu wissen, alle Herzen gefangenzunehmen. Sie war eine Schönheit, an welcher sich der Pinsel des Malers und die Feder des Dichters vergebens versucht hätten.
    Die Begrüßung war vorüber und die nötigen ersten Fragen und Antworten ausgetauscht. Nun standen sie am Fenster, in heiterem

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